Wie lässt sich Leben vermessen? Wie möchten wir künftig zusammenleben? Wie unser Leben mit der Natur gestalten? Ein Kaleidoskop
Der Salon Sophie Charlotte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 21. Mai 2022 hat sich mit Formen der Lebensvermessung und Lebensgestaltung auseinandergesetzt. In Zeiten von Pandemie, Klimakrise und Krieg wird die Fragilität des Lebens mehr als deutlich erlebbar. Zugleich werden ungeahnte Kräfte mobilisiert, um neue Formen zu finden, die das Leben – still, immer noch – lebenswert machen.
Explosionen am frühen Morgen des 24. Februar 2022: Putins Angriffskrieg hat die Lebenswelten so vieler Ukrainer:innen verändert. Erfahrungen von Verlust und Zerstörung, Flucht und Widerstand beherrschen nun den Alltag in der Ukraine – und die Frage, wann dieser Krieg ein Ende finden wird. Auch in Deutschland haben sich nur wenige das Ausmaß der Auseinandersetzung mit Russland vorstellen können. Die Wiederkehr eines großen Staatenkrieges auf dem europäischen Kontinent bricht mit unseren Zukunftserwartungen. Die Politikwissenschaftlerin Gwendolyn Sasse (Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien) und die Historiker Karl Schlögel (Europa-Universität Viadrina) und Sönke Neitzel (Universität Potsdam) diskutieren mit Moderator Martin Klingst (Journalist, Autor, ehem. Politikchef und USA-Korrespondent der ZEIT), wie sich die Ukraine, wie sich Deutschland und Europa seit dem Kriegsausbruch verändert haben.
Einführendes Grußwort von Akademiepräsident Christoph Markschies
Einführung: Sabine Kunst, Regie: Alexander Eisenach
In Thebens Umland herrscht Dürre, zugleich steigt der Meeresspiegel. Die Äcker erodieren, Hungersnöte kündigen sich an. Lange haben die Seher dem Volk Wohlstand durch Fortschritt versprochen – jetzt sollen sie gefälligst auch den Weg aus der Krise zeigen. Ein paar Opfer, ein wenig symbolischer Verzicht: Das sollte doch reichen, um weiterleben zu können wie bisher? Die Klimakatastrophe als lang vorhergesagter Untergang wird in „Anthropos, Tyrann (Ödipus)“ zu einer Tragödie antiken Ausmaßes. Eine Lecture-Performance mit Antje Boetius (Meeresbiologin, Akademiemitglied) und den Schauspielerinnen Sarah Franke, Emma Rönnebeck und Vanessa Loibl. Musik: Sven Michelson.
Das Theater des Anthropozän hat es sich zur Aufgabe gemacht, den fundamentalen Konflikt von Mensch und Natur darzustellen, ihn als gesellschaftliche Herausforderung zur Diskussion zu stellen und im Spiel auszuhandeln. Funktion und Fragilität unserer Ökosphäre und die Konsequenzen menschlichen Handelns werden erleb- und fühlbar gemacht. Ein Ausweg aus der Klimakrise? Initiatorin Antje Boetius (Meeresforscherin, Akademiemitglied) und Regisseur Alexander Eisenach diskutieren über die Rolle von Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft bei der Bewältigung dieser großen menschengemachten Tragödie. Moderation: Sabine Kunst
Berlin blickt auf eine lange Tradition der medizinischen Forschung zurück, beginnend mit der „Berliner Schule der Medizin“, die unter anderem von Hermann von Helmholtz und Rudolf Virchow mitbegründet wurde. Aus ihr wurde die Gesundheitsregion Berlin- Brandenburg mit einer vielfältigen Forschungslandschaft, den Universitäten, der Charité und einer modernen Gesundheitswirtschaft. Ursula Nonnemacher (Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg), Angelika Eggert (Charité – Universitätsmedizin Berlin, Akademiemitglied) und Daniel-Jan Girl (Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin) diskutieren über die Zukunft Berlins als einer Stadt, die auf eine humanitäre Wissenschaft und Gesundheit setzt. Moderiert von Britta Rutert (Wissenschaftliche Koordinatorin IAG „Zukunft der Medizin – Gesundheit für alle“).
Zuversicht, Lebensangst, Lebensfreude, Verzweiflung, Mut, Trauer, Leid, Apathie – die Emotionen angesichts schwerer Erkrankungen sind groß und oft ambivalent. Welche Bedeutung bekommt das Leben im Angesicht des Todes für die Betroffenen? Welche ethischen Fragen stellen sich im Umgang mit schweren Diagnosen – und damit einhergehenden Entscheidungen über das Lebensende? Über diese Fragen und über das Weiterleben mit dem „König der Krankheiten“, der Krebserkrankung, sprechen die Historikerin Bettina Hitzer (Hannah-Arendt-Institut, Dresden), die Medizinethikerin und Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx und der Mediziner Philipp von Trott, ärztlicher Geschäftsführer Palliativteam Hochtaunus, mit Moderatorin Anja Martini (Wissenschaftsredakteurin Tagesschau).
Begrüßung: Marianne Heuwagen, stellv. Vorstandsvorsitzende Villa Aurora & Thomas Mann House e.V.
Planetar denken heißt, die Erde als Planeten ernst nehmen. Das Leben auf unserem Planeten ist in Gefahr. Um gesellschaftlich-politisches Handeln verändern und Nachhaltigkeit leben zu können, bedarf es neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Denkanstöße. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie (Justus-Liebig-Universität Gießen), die Biologin Katrin Böhning-Gaese (Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft) und der Theologe und Historiker Christoph Markschies (Akademiepräsident) rücken die Wechselwirkung zwischen dem Planeten und dem Menschen in den Mittelpunkt des Erkenntnis- und Handlungsinteresses.
Eine Veranstaltung von Villa Aurora & Thomas Mann House e.V. und BBAW.
Bücher handeln vom Leben. Die Schauspielerinnen Corinna Kirchhoff und Alina Strähler entführen Sie gemeinsam mit Akademiemitglied Helmut Schwarz und Akademiepräsident Christoph Markschies in die Welt der Literatur, die voller Leben steckt, voller Lebenslust und Lebensleid.
Es klingt vielleicht paradox, aber der Mensch ist gleichermaßen die Ursache für Kulturverlust und Kulturerhalt. Erst erschafft er sie, dann zerstört und verliert er sie, schließlich erhält er sie. Aber wer ist hier „der Mensch”? Wer ist in welchem Stadium der antreibende Akteur? Welche Motive liegen jeweils zugrunde? Und was hat das eigentlich alles mit unserem Leben zu tun? Es diskutieren: Larissa Förster (Ethnologin, Deutsches Zentrum Kulturgutverluste), Dieter Vieweger (Archäologe, Wuppertal/Witten-Herdecke/Jerusalem/Amman), Rebekka Habermas (Historikerin, Universität Göttingen). Moderation: Georgios Chatzoudis (Gerda Henkel Stiftung).
Möchte man das Lebendige vermessen, dann stellt der Tanz ein spannendes Messinstrumentarium bereit. Der Tanz löst den Körper aus seinen alltäglichen, automatisierten Bewegungsabläufen heraus, stellt diese damit zugleich in Frage und versucht sich an neuen Bewegungsformen, die eine ganz eigene ästhetische Lebenserfahrung ermöglichen – in der Gruppe, aber auch alleine. Dabei kann dem Tanzen eine gesellschaftliche, religiöse, künstlerische oder auch therapeutische Funktion zukommen. Im Gespräch mit Anna Sophie Luhn (FU Berlin) fragen Wiebke Hüster (Tanzjournalistin FAZ), Ruben Reniers (Choreograph rubarb dance & art) und Gabriele Brandstetter (FU Berlin) nach dem Verhältnis von Tanz und Leben und welche Rolle Berührung und Körperlichkeit dabei spielen.
Vor hundert Jahren wurde Albert Einstein der Nobelpreis für Physik verliehen. Aus diesem Anlass hat die ETH Zürich ihren berühmtesten Alumnus digital zum Leben erweckt. Forschende um Informatikprofessor und Akademiemitglied Markus Gross (ETH Zürich) entwickelten zusammen mit dem ETH-Spin-off Animatico eine interaktive Plattform, in der Einstein als digitaler Zwilling über seine Jahre in Zürich erzählt. Der digitale Zwilling ist so kommunikativ wie sein Original es war. Die 3D-animierte Kunstfigur antwortet auf verschiedenste Fragen und fordert sein Gegenüber auch einmal mit einer Gegenfrage oder einer humorvollen Bemerkung heraus. Markus Gross stellt den „Digitalen Einstein“ vor.
Andreas Beyer (Kunsthistoriker, Universität Basel, stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Gerda Henkel Stiftung) und Fabian Goppelsröder (Philosoph, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) diskutieren über die Frage, wie bildende Künstler:innen ihren Körper mit ihrem Werk verbinden – ein Phänomen, das in der zeitgenössischen Kunst gleichsam zu deren eigentlichem Gegenstand geworden ist, das aber tatsächlich weit zurück reicht in die Geschichte der Kunst. Im Gespräch soll aus kunsthistorischer und philosophischer Perspektive das Kunstwerk als „Ausdehnung“ des physischen und psychischen Ichs des Künstlers befragt werden, in Theorie und Praxis.
Panel Discussion & Sound Art Performance
Host: Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA)
AGYA Principal Investigator Verena Lepper, Egyptology, Berlin, introduces the AGYA projects called “Global Berlin in the 21st Century” tackling Arab-German perspectives on transformations in Berlin, urban mobility, concepts of health and happiness, and innovative exhibition formats. She discusses life in international megacities with AGYA Co-President Mahmoud Abdel-Hafiez, Physics, Frankfurt a. M., AGYA alumna Hanan Badr, Communication Studies, Salzburg/Cairo, and AGYA member Philipp Blechinger, Energy Engineering, Berlin.
After the panel discussion, sound artist Amin Fallaha, Berlin, imagines urban soundscapes in a DJ set and presents acoustic visions of future city life.
Die Königliche Hofapotheke, im Königlichen Schloss zu Berlin ansässig, existierte bereits seit kurfürstlicher Zeit. Im 19. Jahrhundert erlebte sie eine allmähliche Bedeutungsveränderung, blieb aber dennoch bis 1918 erhalten. Die zahlreichen Hofärzte verschiedener Richtungen waren in die Geschäfte der Königlichen Hofapotheke involviert und Abnehmer der kostenfreien Medikamente, die sie für alle Hofangehörigen bereitstellte. Im Vortrag präsentiert Anja Bittner (BBAW, Akademienvorhaben „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchie am preußischen Beispiel 1786-1918“), welche Aufgaben diese Mediziner hatten und wen sie behandelten. Daneben werden Einblicke in den Alltag in der Königlichen Hofapotheke gegeben, wie er sich in archivalischen Quellen darstellt.
In seinen letzten fünf Lebensjahren litt Wilhelm von Humboldt unter der Parkinson-Krankheit. Ebenso wie der Mediziner James Parkinson gehört er zu den ersten, die die Symptome der Krankheit präzise beschrieben haben. Humboldt führte seine Krankheit auf die Trauer über den Tod seiner Frau Caroline im Jahr 1829 zurück. Bei seinen Sprachforschungen schränkte ihn die Krankheit vor allem beim handschriftlichen Abfassen von Texten ein. Die einzelnen Stadien der Entwicklung der Krankheit in diesem Bereich wie das Kleinerwerden der Schrift und die nachlassende Fähigkeit, beim Schreiben auf einer Linie zu bleiben, lassen sich noch heute an seinem handschriftlichen Nachlass nachvollziehen. Ein Vortrag von Ute Tintemann (BBAW).
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind Krankheit und Tod stetige Begleiter im Alltag. Spuren der alltäglichen Konfrontation und Reflexionen über einen guten und richtigen Umgang mit dieser Conditio humana finden sich in Schleiermachers Korrespondenz ebenso wie in seinen Tageskalendern und seinen Schriften. Wir erfahren über Diagnosen und Prognosen, Behandlungsmethoden und -mittel, lange Leidensgeschichten und plötzliche Schläge sowie über den persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Umgang mit Krankheit und Tod. Es erwartet Sie eine Lesung von Schlüsselstellen aus Schleiermachers Korrespondenz und Tageskalendern verbunden mit Reflexionen über Krankheit, Todesnähe und Tod aus seiner Theologie, Ethik, Anthropologie und Ästhetik. Mit Simon Gerber und Carolyn Iselt (BBAW, Akademienvorhaben „Schleiermacher in Berlin 1808-1834. Briefwechsel, Tageskalender, Vorlesungen“).
Eine Veranstaltung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und des Jahresthemas 2021|22 „Die Vermessung des Lebendigen“ unter Beteiligung der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA) , der Jungen Akademie , der Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. , dem Villa Aurora & Thomas Mann House e.V. , der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften , der Max-Planck-Gesellschaft , der Robert Bosch Stiftung GmbH , des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin , des Exzellenzclusters Temporal Communities und der Berliner Hochschule für Technik , gefördert von der Gerda Henkel Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung .