Wissenschaftsakademien bieten Orientierungshilfe in der kontrovers geführten Staatsschulden-Debatte

11.06.2015 | BBAW/PM-11/2015

Seit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008, der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 2009 und der Schuldenkrise einiger Eurostaaten seit 2010 wird das schon lange virulente Streitthema „Staatsschulden“ in der öffentlichen Debatte noch intensiver diskutiert. Dazu wurde heute in Berlin der Bericht „Staatsschulden: Ursachen, Wirkungen und Grenzen“ vorgestellt.

Seit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008, der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 2009 und der Schuldenkrise einiger Eurostaaten seit 2010 wird das schon lange virulente Streitthema „Staatsschulden“ in der öffentlichen Debatte noch intensiver diskutiert. Dazu wurde heute in Berlin der Bericht „Staatsschulden: Ursachen, Wirkungen und Grenzen“ vorgestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mehrheitlich der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und den in der Akademienunion zusammengeschlossenen Wissenschaftsakademien angehören, geben darin Antworten auf grundsätzliche Fragen der Staatsverschuldung. Sie wollen damit zur Versachlichung der oft auch emotional geführten Diskussion beitragen.


Die Argumente und Standpunkte, die in den Medien, von politischen Entscheidungsträgern und auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Thema Staatsschulden vertreten werden, sind ebenso kontrovers wie vielfältig. Besonders in Deutschland ist die Diskussion aufgrund der Erfahrung zweier großer Inflationen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch von der Befürchtung geprägt, dass hohe Staatsschulden letztlich wieder zu einer großen Inflation führen.


Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Carl-Ludwig Holtfrerich (Freie Universität Berlin, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) strukturiert in ihrer Analyse die Debatte und konzentriert sich in ihrer Untersuchung auf die Bestimmungsfaktoren, die Wirkungen und – bei Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen – auch auf die Einsatzbereiche der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei werden internationale Einflüsse und Abhängigkeiten sowie internationale Erfahrungen mitberücksichtigt.


Die Finanzierung öffentlicher Nettoinvestitionen aus laufenden Einnahmen belastet die gegenwärtige Generation zugunsten der nachfolgenden. Werden demgegenüber staatliche Subventionen, Konsum- und Transferausgaben sowie die Instandhaltung der Infrastruktur nicht komplett aus laufenden Einnahmen, sondern teilweise aus Krediten finanziert, lebt die gegenwärtige Generation auf Kosten der zukünftigen. „Nur die Vermeidung beider Finanzierungspraktiken kann für Generationengerechtigkeit sorgen“, sagt Prof. Carl-Ludwig Holtfrerich. Dass die staatlichen Gesamtinvestitionen seit 2003 nicht einmal mehr ausgereicht haben, um den Verschleiß der öffentlichen Infrastruktur zu kompensieren, sei dem in eben jenen Jahren praktizierten Sparkurs in Bund, Ländern und Kommunen mit dem Ziel einer „schwarzen Null“ zuzuschreiben. Dieser Kurs wurde 2009 mit der Schuldenbremse sogar im Grundgesetz verankert. „Unter solchen Sparzwängen streichen Politiker als erstes die Investitionsausgaben, weil dies die Wähler kurzfristig weniger stört als Kürzungen beispielsweise bei den Sozialausgaben und Gehältern im öffentlichen Dienst. Das ist aber keine nachhaltige Politik, wie die heute vielfach instandsetzungsbedürftige Infrastruktur belegt“, kritisiert Holtfrerich.


Die Autoren des Berichts stellen fest, dass die Gesamtbilanz rechtlicher Schuldengrenzen im Ausland gemischt sei. In den USA hätten sie den Gesamtschuldenstand kaum begrenzt, in der Schweiz seien sie deutlich wirksamer, was unter den Bedingungen direkter Demokratie maßgeblich auf den zugrundeliegenden politischen Konsens aller Beteiligten zurückzuführen sein dürfe.


Der Bericht „Staatsschulden: Ursachen, Wirkungen und Grenzen“ ist das Ergebnis einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, die vom Ständigen Ausschuss der Nationalen Akademie der Wissenschaften eingerichtet wurde. An ihm haben elf Expertinnen und Experten der Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichtswissenschaft und des Staatsrechts mitgearbeitet.
Holtfrerich, Carl-Ludwig; Feld, Lars P.; Heun, Werner et al. (2015): Staatsschulden: Ursachen, Wirkungen
und Grenzen. Berlin 2015, 90 Seiten, ISBN: 978-3-8047-3284-1.


Der Bericht ist ab dem 11. Juni 2015 frei zugänglich unter:
www.akademienunion.de/publikationen
www.leopoldina.org
www.acatech.de

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften unterstützen Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftsbasiert bei der Beantwortung von Zukunftsfragen zu aktuellen Themen. Die Akademiemitglieder und weitere Experten sind hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland.
 

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