Pressemitteilung
BBAW/PR-26/2007
14.12.2007
Auf der Festsitzung zu ihrem diesjährigen Einsteintag am 14. Dezember 2007 im Nikolaisaal Potsdam stellt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften die neu gewählten Akademiemitglieder vor. Mit Beschluss der Versammlung vom gleichen Tage wurden folgende Wissenschaftler in die Akademie aufgenommen:
Hans-Peter Blossfeld, Jg. 1954, Soziologie
Außerordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Jan Born, Jg. 1958, Verhaltensbiologie
Ordentliches Mitglied, Biowissenschaftlich-medizinische Klasse
Jürgen Gerhards, Jg. 1955, Soziologie
Ordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Wolfgang Merkel, Jg. 1952, Politikwissenschaften
Ordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Christoph Möllers, Jg. 1969, Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie
Ordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Andreas Voßkuhle, Jg. 1963, Rechtswissenschaft
Ordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Emo Welzl, Jg. 1958, Mathematik, Informatik
Ordentliches Mitglied, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse
Michael Zürn, Jg. 1959, Politikwissenschaften
Ordentliches Mitglied, Sozialwissenschaftliche Klasse
Der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gehören damit 160 Ordentliche und 58 entpflichtete Ordentliche Mitglieder, 68 Außerordentliche Mitglieder sowie ein Ehrenmitglied an, 26 Mitglieder sind Frauen.
Das Durchschnittsalter der Ordentlichen Mitglieder beträgt 58 Jahre, das aller Mitglieder zusammen liegt bei 63 Jahren. Das Durchschnittsalter der im Berichtszeitraum gewählten Mitglieder zum Zeitpunkt der Zuwahl ist 48 Jahre.
Nach Vollendung des 68. Lebensjahres werden die Ordentlichen Mitglieder von ihren Pflichten entbunden. Ihre Rechte, einschließlich des Stimmrechts in der Versammlung der Akademiemitglieder, bestehen mit Ausnahme des passiven Wahlrechts und des aktiven Wahlrechts bei der Wahl neuer Mitglieder unverändert fort.
Die Akademie wählt ihre Mitglieder aus allen Wissenschaftsgebieten und aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem Ausland. Derzeit kommen 117 Mitglieder aus Berlin und Brandenburg, 136 aus anderen Bundesländern und 33 aus dem Ausland. Von den Ordentlichen nicht entpflichteten Mitgliedern gehören 37 der Geisteswissenschaftlichen und 25 der Sozialwissenschaftlichen Klasse an, je 38 der Mathematisch-naturwissenschaftlichen und der Biowissenschaftlich-medizinischen sowie 22 der Technikwissenschaftlichen Klasse.
Kontakt:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Leiterin des Präsidialbüros, Renate Nickel
Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin
Tel.: 030/20370-241; Fax: 030/20370-622, E-mail: nickel@bbaw.de
Anlage
Kurzvorstellungen
Hans-Peter Blossfeld
Jg. 1954, Soziologie
Sozialwissenschaftliche Klasse, Außerordentliches Mitglied
Hans-Peter Blossfeld studierte Soziologie, Ökonomie, Statistik und Wirtschaftsinformatik in Regensburg, promovierte 1984 in Wirtschaftswissenschaften in Mannheim und habilitierte sich 1987 im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin. Zunächst war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mannheimer VASMA-Projekt (1980–1984) und dann leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin (1984–1989). 1988/89 weilte er als Fellow am Netherlands Institute for Advanced Study in the Humanities and Social Sciences. Es folgten Lehrstühle in Florenz, Bremen und Bielefeld. Seit 2002 ist er Ordinarius für Soziologie in Bamberg und leitet hier seit 2003 auch das Staatsinstitut für Familienforschung. Er zeichnet sich durch viele Lehr- und Forschungsaufenthalte im Ausland aus, unter anderen an den Universitäten Oxford, Cornell und Harvard. Er ist Mitglied der Leopoldina und der European Academy of Sociology, Herausgeber des European Sociological Review (Oxford University Press) und der Zeitschrift für Familienforschung sowie Mitherausgeber der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Daneben ist er Beiratsmitglied und Mitherausgeber weiterer zentraler deutscher und internationaler soziologischer Fachzeitschriften. Seit 2004 ist er Präsident des European Consortium for Sociological Research (ECSR).
H.-P. Blossfelds Arbeiten repräsentieren methodisch und konzeptuell den derzeit höchsten Stand der Verbindung von Makro- und Mikroanalyse in der vergleichenden Sozialstrukturforschung. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen auf Statistik und Methoden sowie auf der vergleichenden Sozialstrukturanalyse im Schnittfeld von Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Familien- und Bevölkerungssoziologie. Er zählt zu den Pionieren der Entwicklung und Anwendung moderner Längsschnittverfahren im Rahmen der Lebenslaufforschung. Seine Arbeiten zur vergleichenden Sozialstrukturanalyse beginnen mit dem noch heute maßgeblichen Band Persistent inequality: Changing educational attainment in thirteen countries (mit Y. Shavit, 1993 Westview Press) und setzen sich fort mit großen empirischen Buchveröffentlichungen zu Familienplanung, Teilzeitarbeit von Frauen und zur Veränderung der Berufsbildungssysteme. Der Übergang vom Modell des männlichen Alleinernährers zu demjenigen der Doppelkarriere, die Rolle der Bildungssysteme als Heiratsmärkte, die Bedeutung von Immobilienbesitz für soziale Ungleichheit sind Gegenstand seiner Studien. In jüngster Zeit untersucht er auf der Grundlage eines internationalen Netzwerks führender Sozialforscher, wie sich die Globalisierung auf die Lebensverläufe in modernen Gesellschaften auswirkt.
Jan Born, Jg. 1958, Verhaltensbiologie
Biowissenschaftlich-medizinische Klasse, Ordentliches Mitglied
Jan Born studierte Psychologie in Tübingen und absolvierte hier auch ein Grundstudium der Mathematik sowie eine Ausbildung in Verhaltenstherapie. Nach einem Forschungsaufenthalt an der State University of New York (1980–1981) und Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Ulm promovierte er 1985. In Ulm absolvierte er gleichzeitig ein Studium der vorklinischen Humanmedizin. 1989 wurde er mit einer Arbeit zur hormonellen Beeinflussung höherer zentralnervöser Funktionen beim Menschen habilitiert. Er leitete die Abteilung für Physiologische Psychologie an der Universität Bamberg (1989–1998) und die DFG-Forschergruppe ‚Neuroendokrinologie’ in Lübeck (1992–1998). Seit 1998 ist er Professor für Neuroendokrinologie an der Universität Lübeck, seit 2002 zugleich Direktor des dortigen Instituts für Neuroendokrinologie und seit 2005 Sprecher des SFB 654 ‚Plasticity and Sleep’.
J. Born ist Schlafforscher. Es ist sein Verdienst, durch seine Studien zur Gedächtnisbildung im Schlaf die seit S. Freud in Vergessenheit geratene wissenschaftliche Erforschung des Schlafs als Fenster zu psychologischen Prozessen für die moderne Psychologie wieder entdeckt zu haben. J. Born knüpft mit der strengen neurowissenschaftlichen Analyse an eine von Freud bereits angedachte Zielsetzung an, den Einfluss des Schlafs auf das Bewusstsein anhand von neuronalen Mechanismen zu charakterisieren. Borns Untersuchungen der neuroendokrinen Mechanismen des Schlafs führten zu der fundamentalen Erkenntnis, dass im Schlaf die neuroendokrine Steuerung vieler hormoneller Prozesse konträr zu der im Wachzustand verläuft, und damit zur zentralen Frage nach der Funktion des Zustandes ‚Schlaf’. Er verfolgt die Hypothese, dass Schlaf Gedächtnis bildet – Gedächtnis als allgemeiner biologischer Prozess, der sich in neuronalen Netzwerken aber auch in anderen Systemen, wie z.B. dem Immunsystem, abspielt. Mit diesem Ansatz sind Borns Arbeiten richtungweisend sowohl für die moderne Schlafforschung als auch für eine neue biologische Gedächtnisforschung, in der die biologischen Prinzipien dieses Prozesses im Vordergrund stehen.
J. Born genießt international höchste Anerkennung. Er gehört den Editorial Boards mehrerer internationaler Zeitschriften an und berät und begutachtet maßgebende Institutionen der Forschungsförderung im europäischen, amerikanischen und asiatischen Raum.
Jürgen Gerhards
Jg. 1955, Soziologie,
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Jürgen Gerhards studierte Sozialwissenschaften und Germanistik in Köln und promovierte dort 1987. 1992 habilitierte er sich an der Freien Universität Berlin. Nach seiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Köln (1982–1988) arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin. 1994 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Kultursoziologie und Allgemeine Soziologie nach Leipzig; seit 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Freien Universität Berlin. 2001/2002 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2003/2004 am Swedish Collegium for Advanced Studies in the Social Sciences, Uppsala. Er hat eine Forschungsprofessur am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung inne und ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Soziologie.
J. Gerhards’ jüngere Arbeiten beschäftigen sich mit der Analyse der Entstehung einer europäischen Gesellschaft im Kontext des europäischen Integrationsprozesses. Er befasst sich mit der Untersuchung nationaler Öffentlichkeiten und der Frage nach der Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit; er arbeitet die Probleme heraus, die sich der Ausweitung der nationalen auf eine europäische Öffentlichkeit und damit der breiteren demokratischen Legitimation der EU entgegenstellen. In anderen Studien analysiert er die kulturellen Unterschieden in Europa im internationalen Vergleich. In seinem Buch Kulturelle Unterschiede in der Europäischen Union (2005; Englisch 2007) legt er erstmals eine empirisch fundierte Analyse der Wertprofile der Bevölkerungen in den alten und neuen Mitgliedsländern und den Beitrittskandidaten der EU vor und greift damit wirksam in die Debatte um den Türkeibeitritt ein. Mit seinem neuesten Buch Die Herstellung einer öffentlichen Hegemonie. Humangenomforschung in der deutschen und der US-amerikanischen Presse (mit M. Schäfer, 2006) zeigt er, mit welchen Schwierigkeiten es die öffentliche Kommunikation über Wissenschaft in Deutschland und den USA zu tun hat.
Wolfgang Merkel
Jg. 1952, Politikwissenschaften
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Wolfgang Merkel studierte in Heidelberg Sportwissenschaft, Geschichte und Politische Wissenschaft, promovierte hier 1985 nach Forschungsaufenthalten in Bologna, Florenz und Rom mit einer Arbeit über die Rolle und den Wandlungsprozess der Sozialistischen Partei Italiens. Im selben Jahr ging er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter nach Bielefeld, war 1988/89 Kennedy Memorial Fellow am Center for European Studies in Harvard und kehrte anschließend als wissenschaftlicher Assistent nach Heidelberg zurück. 1992 wurde er in Politischer Wissenschaft habilitiert. 1994 nahm er den Ruf auf eine Professur für Vergleichende Regierungslehre nach Mainz an, wechselte 1999 auf eine Professur für Politische Wissenschaft an der Universität Heidelberg. Seit 2004 ist er Direktor der Abteilung Demokratie: Strukturen, Leistungsprofil und Herausforderungen am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und lehrt als Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
W. Merkel leistet viel beachtete Beiträge zur Demokratie-, Parteien- und Transformationsforschung. Seine zu den Standardwerken zählende Habilitationsschrift Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts (1993 Campus) stellt einen wichtigen Beitrag zur Theorie der Machtressourcen, Handlungsrestriktionen und Strategiewahlen von Parteien dar. Er überprüft die These vom Ende des Sozialdemokratischen Jahrhunderts, ersetzt mit seinem Vergleich der Programmatik der linken Parteien in Europa mit der Regierungspolitik in den Ländern, in denen sozialistische oder sozialdemokratische Parteien Regierungsmacht übernommen haben, die pauschale Debatte über sozialdemokratische Parteien durch differenzierte historische Typologien und kommt in späteren Arbeiten zu einer Typologie von sozialdemokratischen Parteien in Europa. In der Demokratieforschung geht das Konzept der „defekten Demokratie“ auf ihn zurück. Er befasst sich theoretisch wie empirisch mit der Demokratisierung politischer Regime. Dazu hat er ein Standardwerk mit dem Titel „Systemtransformation“ (1999; 2007) verfasst. Gegenwärtig arbeitet er u.a. zur Qualität und Reformfähigkeit von Demokratien.
Christoph Möllers
Jg. 1969, Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Christoph Möllers studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen und München. 1995 erwarb er in Chicago den Master of Laws, 1999 promovierte er in München, war anschließend Assistent in Dresden und Heidelberg. Hier wurde er mit der venia legendi „Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Rechtsphilosophie“ habilitiert. Es folgten Berufungen nach Münster (2004) und Göttingen (2005). 2006/2007 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Ch. Möllers’ wissenschaftliche Interessen gelten den Grenzregionen des eigenen Fachs. Zu seinen Beiträgen gehören Arbeiten zur juristischen Dogmengeschichte, zur Methodenlehre und Rechtstheorie, zur Theorie nationaler und übernationaler Verfassungen, zum geltenden Staats- und Europarecht und zu Einzelgebieten des Verwaltungsrechts. Mit seiner Dissertation Staat als Argument (C.H. Beck 2000) legt er eine Analyse der neueren allgemeinen Staatslehre vor und schafft eine Verknüpfung zwischen dogmengeschichtlicher Exegese und geltendem Staatsrecht. Das Werk hat über die Fachöffentlichkeit hinaus Beachtung gefunden. Der Erfolg der Schrift beruht auf methodischer Präzision in der Grenzziehung zwischen rechtsnormativen Aussagen und staatstheoretischen Erkenntnissen. Rechtsvergleichung und Demokratietheorie bilden für Ch. Möllers den Zugang zum Thema seiner Habilitationsschrift Gewaltengliederung: Legitimation und Dogmatik im nationalen und internationalen Rechtsvergleich (Mohr Siebeck 2005). In dieser Arbeit bestimmt er den Standort des für neuzeitliche Verfassungen zentralen Gewaltenteilungsprinzips im Schnittpunkt zwischen Rechtsstaat und Demokratie. Er zeigt anhand von Herrschaftsstrukturen der supranationalen und der internationalen Ebene, inwieweit für die Europäische Union und die World Trade Organisation Ansätze gewaltenteilender Funktionszuordnungen fruchtbar sein können und macht die disziplininternen Grenzen zwischen Staatsrecht und Völkerrecht durchlässig. Momentan arbeitet Ch. Möllers an einer Theorie der Normativität des Rechts.
Andreas Voßkuhle
Jg. 1963, Rechtswissenschaft
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Andreas Voßkuhle studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Bayreuth und München und promovierte in München bei Peter Lerche (1992). Nach Tätigkeiten als Assistent und Referent im Bayerischen Staatsministerium des Innern habilitierte er sich 1998 an der Universität Augsburg (venia legendi: „Öffentliches Recht, Verwaltungswissenschaften und Rechtstheorie“). Unmittelbar danach wurde er auf einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an die Universität Freiburg berufen. Im Akademischen Jahr 2006/2007 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
A. Voßkuhles Arbeiten decken das ganze Spektrum des Staats- und Verwaltungsrechts einschließlich seiner rechtstheoretischen Grundlagen ab. Er gehört zu den Schrittmachern für die Fortentwicklung seines Fachs. In seiner Dissertation Rechtsschutz gegen den Richter (1993 C.H. Beck) behandelt er ein verfassungsrechtliches Grundlagenthema – die Stellung der Dritten Gewalt im grundgesetzlichen Kontrollsystem. Die Arbeit löste eine bemerkenswert breite Diskussion in der Justiz aus und hat zusammen mit einigen Folgeschriften wesentlich zur rechtspolitischen Sensibilisierung gegenüber Rechtsverletzungen durch richterliches Verhalten beigetragen. Die Habilitationsschrift Das Kompensationsprinzip (1999 Mohr-Siebeck) analysiert zentrale Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts auf ihre Steuerungsleistungen. Sie unternimmt den Versuch, die Steuerungskapazität insbesondere der ordnungsrechtlichen Instrumente durch flexible Lösungen zu erweitern. Dieser Zugang gehört zu den am meisten beachteten Reformperspektiven im Öffentlichen Recht. Einen Meilenstein in der Fortentwicklung des Öffentlichen Rechts stellt sein Referat über die Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatlicher Verantwortung (2002) dar, mit dem es ihm gelang, das so genannte „Gewährleistungsverwaltungsrecht“ zu entwickeln und als dritte Säule neben dem Ordnungs- und Leistungsverwaltungsrecht zu etablieren. Einflussreich ist ferner neben zahlreichen methodischen Beiträgen sein zusammen mit R. Sparwasser und R. Engel verfasstes großes Lehrbuch zum Umweltrecht (5. Aufl. 2003 C.F. Müller). Voßkuhle ist zudem federführender Mitherausgeber der auf drei Bände angelegten „Grundlagen des Verwaltungsrechts“ (Band I 2006 C.H. Beck).
Emo Welzl
Jg. 1958, Mathematik, Informatik
Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Emo Welzl studierte Mathematik und Informatik in Graz, wo er 1983 mit einer Arbeit über formale Sprachen promovierte und sich 1987 in Theoretischer Informatik habilitierte. Noch im selben Jahr wurde er als Ordentlicher Professor an die Freie Universität Berlin berufen. Hier war er maßgeblich am Aufbau der Informatik beteiligt und Mitinitiator und erster Sprecher des Graduiertenkollegs „Algorithmische Diskrete Mathematik“. Seit 1996 ist Emo Welzl Ordinarius für Informatik an der ETH Zürich, von 2000 bis 2005 war er (Züricher) Sprecher des Europäischen Graduiertenkollegs „Combinatorics, Geometry, and Computation“.
Emo Welzl ist im besten Sinne des Wortes ein Grenzgänger zwischen Mathematik und Informatik. Sein wissenschaftliches Werk umfasst etwa 150 Publikationen in Zeitschriften und referierten Konferenzbänden. Vor allem auf den Gebieten Formale Sprachen und Graphgrammatiken, Algorithmische Geometrie, Randomisierte Algorithmen, Konvexe Geometrie und Diskrete Optimierung hat er fundamentale Beiträge geleistet. International bekannt wurde E. Welzl in den achtziger Jahren durch seine Beiträge zur algorithmischen Geometrie. Dieses Teilgebiet der Theoretischen Informatik, das die Grundlagen wichtiger Anwendungen wie der Computer-Graphik, der Robotik oder des Schaltkreisentwurfs untersucht, hat in den zurückliegenden zwanzig Jahren wegen der zunehmenden Bedeutung dieser Anwendungen einen beachtlichen Aufschwung erfahren. Emo Welzl gehört zu einer Gruppe von weltweit zusammenarbeitenden Wissenschaftlern, die dieses Gebiet mitgeprägt, entscheidende Forschungsprobleme formuliert und hauptsächlich zu deren Lösung beigetragen haben.
1992 wurde er für seine wissenschaftlichen Leistungen mit dem Max-Planck-Preis ausgezeichnet (zusammen mit Micha Sharir/Tel Aviv), 1995 erhielt er den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der DFG. Er ist Fellow der Association of Computing Machinery und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Academia Europaea.<o:p></o:p>
Er ist Mitherausgeber führender Zeitschriften auf dem Gebiet der Algorithmischen Geometrie und der Informatik.
Michael Zürn
Jg. 1959, Politikwissenschaften
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Michael Zürn studierte Politikwissenschaften und Germanistik in Tübingen und Denver, promovierte 1991 in Tübingen, war wissenschaftlicher Assistent am dortigen Institut für Politikwissenschaften in der Arbeitsgruppe „Regime in den Ost-Westbeziehungen“ und folgte nach einem Jahr als Thyssen Fellow in Harvard 1993 dem Ruf auf die Professur für Internationale und Transnationale Beziehungen sowie Friedens- und Konfliktforschung in Bremen. 1995 übernahm er die Leitung des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien und baute es zu einem der forschungsstärksten Institute für Internationale Beziehungen in Deutschland mit auf. Er war auch Initiator und erster Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Staatlichkeit im Wandel“, dem ersten primär politikwissenschaftlichen Sonderforschungsbereich. Seit 2004 ist er Dean der Hertie School of Governance und Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Internationale Beziehungen und Mitglied des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
M. Zürn gehört zu den führenden Vertretern der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen. In seiner wegweisenden Dissertation systematisiert er erstmals die politikwissenschaftliche Debatte um die Erklärung des Zustandekommens internationaler Kooperation und bietet einen neuen Ansatz zur Erklärung internationaler Institutionen an, der die bisherigen erkenntnistheoretischen Defizite Holismus und Reduktionismus vermeidet bzw. verringert. Als einer der ersten hat er Anfang der 1990er Jahre das Phänomen der Globalisierung aufgegriffen. In seinem bekanntesten Werk Regieren jenseits des Nationalstaats: Globalisierung und Denationalisierung als Chance (1998 Suhrkamp) geht es ihm um den behaupteten Zusammenhang zwischen einem globalisierungserzwungenen globalen Markt, fehlender oder defizitärer Reregulierung auf internationaler Ebene und noch prekärer demokratischer Legitimation dieser zaghaften Reregulierung. Er positioniert sich gegen die Kassandrarufe vom Untergang staatlicher Eingriffsmöglichkeiten in den Markt und der Marktübernahme durch multinationale Konzerne, bleibt gleichzeitig auf Distanz zu normativ vorgetragenen Forderungen nach einer neuen Staatenwelt im 21. Jahrhundert.