In einem Pressegespräch in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) zur digitalen Zukunft der deutschen Lexikographie hat Wolfgang Klein, Sprecher des „Zentrums Sprache“ der BBAW, Hintergründe und aktuelle Entwicklungen der Lexikographie skizziert.
Das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Grimm war ursprünglich ein Verlagsunternehmen; vor gut hundert Jahren wurde es von der „Preußischen Akademie Wissenschaften“ übernommen und dort 1960 fertiggestellt. Da war es schon weithin überholt, sodass für die Buchstaben A – F eine Neubearbeitung durch die Akademien zu Berlin und zu Göttingen beschlossen wurde; diese Neubearbeitung nähert sich nun ihrem Abschluss.
Auf die Frage, wie es weitergehen solle, wies Wolfgang Klein darauf hin, dass keine Aussichten bestünden, dass ein Verlag dies übernehme. Unter allen großen Wörterbüchern werde nur noch das Oxford English Dictionary, das einen sehr großen Markt hat, von einem Verlag finanziert. Die wissenschaftliche Lexikographie des Deutschen liege damit praktisch ganz in der Finanzierung durch die öffentliche Hand, die das auch durchaus großzügig leiste – allerdings auch nicht ohne eine klare Perspektive für den Abschluss solcher Vorhaben. Deshalb müsse die Lexikographie neue Wege gehen.
Wissenschaftliche Wörterbücher, so Wolfgang Klein, müssen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, sie sollen aber für alle von Nutzen sein, die sich für die Bedeutung, die Verwendung oder die Geschichte eines Wortes interessieren. Das erreicht man am besten, wenn man diese Informationen der Öffentlichkeit nicht in Bibliotheken vergräbt, sondern über das Internet frei zugänglich macht. Das Wörterbuch der Zukunft kann daher nur ein „digitales lexikalisches System“ sein, das auf hohem wissenschaftlichem Niveau die unterschiedlichsten Auskünfte über Wörter des Deutschen gibt – ihre Geschichte, ihre Bedeutung, ihre Aussprache, ihre grammatischen Besonderheiten, ihre Verbindung mit anderen Wörtern, schließlich auch die Häufigkeit oder Seltenheit ihrer Verwendung.
Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften entwickelt seit einigen Jahren parallel zum Abschluss der Neubearbeitung des „Grimm“ ein solches digitales lexikalisches System, dessen neue Version jetzt freigeschaltet wurde (www.dwds.de, kostenlos, Registrierung sinnvoll). Es wird für 18 Jahre aus dem Akademienprogamm der deutschen Akademien finanziert und durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt. In diesem System sind drei bedeutende Wörterbücher, darunter auch der „Grimm“ in seiner abgeschlossenen Ausgabe, mit einer Reihe von Textcorpora verbunden, sodass der Benutzer jederzeit die Beschreibungen in diesen Wörterbüchern selber ergänzen und überprüfen kann; ein wesentlicher Teil der Wörter (derzeit 70 000, weitere 20 000 werden gerade korrigiert) wurde von einer professionellen Sprecherin eingesprochen, sodass beispielsweise Lerner eine klare und richtige Vorstellung von ihrer Aussprache bekommen. Ebenso kann man sich durch statistische Analysen ein verlässliches Bild vom Aufkommen und Verschwinden dieser Wörter machen.
Das DWDS ist derzeit noch in seiner Anfangsphase, es wird aber bereits jetzt rege genutzt (etwa 33 000 registrierte Nutzer, etwa 2 Millionen Seitenaufrufe im Monat). Es wird in den kommenden Jahren systematisch ausgebaut, dazu zählt nicht zuletzt eine historische Komponente („Grimm der Zukunft“), die derzeit in Zusammenarbeit mit der Göttinger Akademie der Wissenschaften geplant wird und die große Tradition des Grimmschen Wörterbuchs mit den Methoden der Gegenwart fortsetzt.
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