Der BGH hat in seinem jüngsten Urteil vom Juli 2010 einen Fortpflanzungsmediziner freigesprochen, der bei mindestens drei Paaren das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik (PID) anwandte. Diese Technik konnte im Embryonenschutzgesetz von 1990 noch nicht explizit geregelt sein und galt nach herrschender Meinung bisher als strafbar. Um in einem Musterprozess die höchstrichterliche Klärung der Rechtslage herbeizuführen, zeigte sich der Mediziner selbst an. Das Urteil des BGH bestätigt nun durch seinen Freispruch, dass künstlich gezeugte Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf „schwere genetische Schäden“ untersucht werden dürfen.
Nach Jahren der intensiven Diskussion, die zu keiner gesetzgeberischen Lösung geführt hatte, setzt nun ein Gerichtsurteil die Richtlinien für den Umgang mit diesem Verfahren an der Schnittstelle von Reproduktionsmedizin und genetischer Diagnostik. Nicht die Technik hat sich in den letzten Jahren geändert, nicht die gesetzliche Grundlage und auch nicht das Leid der betroffenen Eltern. Vielmehr scheint die gesellschaftliche Bewertung der PID eine andere geworden zu sein. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung will die Veranstaltung vor allem Fragen nach der Verschiebung einzelner Argumente in einer hoch komplexen Debatte thematisieren und dieses Urteil diskutieren.
Der Abend wird veranstaltet von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe "Gentechnologiebericht" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
PROGRAMM
Begrüßung
Dr. Silke Domasch
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Einführung
Prof. Dr. Ferdinand Hucho
Akademiemitglied
Die öffentlichen Diskussionen zur PID in Deutschland
Andrea Fischer
ehemalige Bundesministerin für Gesundheit und gesundheitspolitische Beraterin
Das Urteil des BGH vom 6. Juli 2010
Prof. Dr. Peter König
Richter am Bundesgerichtshof, 5. Strafsenat
Moderation: Martin Spiewak
Wissenschaftsjournalist DIE ZEIT