In einer gemeinsamen Empfehlung fordern die Deutsche Akademie der Naturforscher
Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
acatech und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (für
die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften) eine Forschungsoffensive zugunsten
einer integrativen und disziplinenübergreifenden Energieforschung sowie die Einrichtung eines
nationalen Koordinierungsgremiums mit Richtlinienkompetenz. Die Akademien weisen darauf
hin, dass die Lösung der Energiefrage im Spannungsfeld von Klima- und Umweltschutz sowie
Versorgungssicherheit eine existentielle Aufgabe der Zukunft ist.
Für eine zukunftsfähige Energiepolitik in Deutschland müssten alle technologischen Zukunftsoptionen
einschließlich der forcierten Nutzung regenerativer Energien, der Nutzung fossiler Energieträger mit
Hilfe der Abtrennung und Lagerung von Kohlendioxid (CCS), der Kernenergie und der Fusion intensiv
erforscht werden. Darüber hinaus seien verstärkte Anstrengungen zur Verbesserung der
Energieeffizienz unabdingbar, gleichgültig welche anderen Optionen in Zukunft ausgebaut würden.
Um zu einer Vereinheitlichung der Forschungsschwerpunkte zu kommen, soll zukünftig ein mit
Richtlinienkompetenz ausgestattetes nationales Koordinierungsgremium einberufen werden, in dem
neben den Ressorts auch unabhängige Wissenschaftler vertreten sind. Empfohlen wird zudem die
Einrichtung von interdisziplinären Exzellenz-Clustern bzw. Kompetenzzentren, welche die
Wechselwirkung von technischer Entwicklung und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stärker als
bislang untersuchen.
In der Stellungnahme wird festgestellt, dass die Energieforschung in Deutschland stärker als in der
Vergangenheit unter der Prämisse einer systemischen Betrachtung aller Aspekte der
Energieversorgung stehen müsse. Derzeit stünden mehrheitlich Einzelthemen im Fokus der
Forschungsförderung, was den Blick auf das Gesamtsystem und seine wirtschaftlichen und sozialen
Anforderungen verstelle. Das Ergebnis seien nicht selten redundante sowie fachspezifisch
ausgerichtete Forschungsansätze, bei denen die Wechselwirkung mit sozialen, wirtschaftlichen,
politischen und rechtlichen Bedingungen unberücksichtigt bliebe.
Die Wissenschaftsakademien plädieren für ein mit Richtlinienkompetenz ausgestattetes
Koordinierungsgremium, in das Vertreter der Ministerien ebenso einberufen werden wie unabhängige
Wissenschaftler. „Ein solches Gremium würde die vielfach zu einzelnen Förderprogrammen
existierenden Beiräte ablösen“, sagte Professor Ferdi Schüth, einer der Koordinatoren der
Empfehlung.
Das Akademienpapier, an dem über 100 Wissenschaftler aus Universitäten, außeruniversitären
Forschungseinrichtungen, der Industrie und der Zivilgesellschaft mitgearbeitet haben, plädiert für eine
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engere Verzahnung der Forschung in Wissenschaft und Industrie. Um die Aktivitäten besser zu
koordinieren, sprechen sich die Akademien für die Errichtung von interdisziplinären Exzellenz-Clustern
bzw. Kompetenzzentren unter der Führung der Universitäten aus. Es solle auch über die Etablierung
eines großen Energieforschungszentrums nachgedacht werden, in dem großtechnische
Entwicklungen, eingebettet in Wirtschaft und Gesellschaft, vorangetrieben werden könnten. Eine
Besonderheit des Gutachtens besteht in der Integration der Rechts-, Wirtschafts- sowie Geistes- und
Sozialwissenschaften im Bereich der Energieforschung.
Die Gutachter sind sich einig, dass Energieforschung fundiertes und belastbares Wissen für spätere
politische Entscheidungen bereitstellen müsse. Es umfasse daher sämtliche Optionen zukünftiger
Energieversorgung, einschließlich der regenerativen Energien, der effizienteren Nutzung fossiler
Energieträger und der Kernenergie, aber auch der Fusionstechnik. Auch die CO2-Abtrennung
und -Lagerung (CCS-Technologie) sollte intensiv erforscht werden.
Unabhängig davon, auf welcher Basis die Energie zukünftig in Deutschland erzeugt wird, halten die
Gutachter die Verbesserung der Energieeffizienz für ein unverzichtbares Element der künftigen
Energiepolitik. Gleiches gelte für die Entwicklung verlustarmer Netzkonzepte, mit denen auf
Schwankungen flexibel reagiert werden könne, wie sie durch die verstärkte Nutzung der Wind- und
Sonnenenergie entstehen und gegenwärtig etwa für die Pläne zur Nutzung von Solarstrom aus dem
Mittelmeerraum relevant sind. Hierzu sei neben neuen Netzen eine hoch entwickelte Netzsteuerung
(Smart Grids) mit fortgeschrittenen Speichertechnologien zu entwickeln, um die steigenden
Kapazitäten aus der Offshore-Windkraft besser nutzen zu können. Zu den unabdingbaren
Forschungsanstrengungen gehört auch die Entwicklung wirksamer Instrumente und Maßnahmen zur
nachhaltigen Steuerung der Energienachfrage im Sinne einer sicheren und klimafreundlichen
Energieversorgung.
Koordinatoren und Verfasser des Gutachtens sind die Professoren Ferdi Schüth, Mülheim a. d. Ruhr
(Leopoldina); Frank Behrendt, Berlin; Eberhard Umbach, Karlsruhe (acatech); und Ortwin Renn,
Stuttgart (BBAW). Dem vorgestellten Bericht wird bis Mitte 2010 eine umfangreiche zweite Studie
folgen.
Kontakt:
Prof. Dr. Ferdi Schüth, Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim/Ruhr (Leopoldina)
Tel.: 0208 / 306 2373, E-Mail: schueth@mpi-muelheim.mpg.de
Prof. Dr. Frank Behrendt, Institut für Energietechnik, Technische Universität Berlin (acatech)
Tel.: 030 / 31479724, E-Mail: frank.behrendt@tu-berlin.de
Prof. Dr. Ortwin Renn, Abt. für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart (BBAW)
Tel.: 0711 / 65583970, E-Mail: ortwin.renn@soz.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Eberhard Umbach, KIT Karlsruher Institut für Technologie (acatech)
Tel.: 07247 / 82 2000, E-Mail: eberhard.umbach@kit.edu