Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Frank Bradke
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Frank Bradke (Jg. 1969) ist ein international hochangesehener Neurowissenschaftler, der sich mit der Entwicklung und Regeneration von Nervenzellen befasst und auf diesem Gebiet bahnbrechende Beiträge geleistet hat.
Frank Bradke erwarb 1995 sowohl ein Diplom in Biochemie an der Freien Universität Berlin als auch einen Bachelor in Anatomie und Entwicklungsbiologie am University College London. Nach Aufenthalten in Cambridge und an der Yale University forschte Frank Bradke am EMBL in Heidelberg, von wo er für weitere Forschungstätigkeiten an die University of California, San Francisco (UCSF) und an die Stanford University ging. Von 2003 bis 2011 leitete er eine selbstständige Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried; 2011 wechselte er an das neugegründete Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn.
Bereits in einem frühen Stadium seiner wissenschaftlichen Karriere konnte er zeigen, dass sowohl das Aktin-Zytoskelett als auch Mikrotubuli Schlüsselelemente in der Polarisierung von Nervenzellen sind. Diese Erkenntnisse waren für das Verständnis der neuronalen Entwicklung wegweisend. Als Frank Bradke die Frage untersuchte, welche Faktoren die Regeneration von Axonen nach einer Verletzung negativ beeinflussen können, erkannte er, dass die Degeneration von Mikrotubuli hierbei einen hemmenden Einfluss ausübt. Er konnte darüber hinaus nachweisen, dass sich Mikrotubuli in entwickelnden Nervenzellen unabhängig von ihrem Zentrosom bilden können. Diese beiden Erkenntnisse waren wegweisend und veränderten das Verständnis des neuronalen Zytoskeletts in der neuronalen Entwicklung grundlegend.
Frank Bradke entwickelte die Hypothese, dass das Entwicklungsprogramm der neuronalen Polarisierung reaktiviert werden müsse um verletzte Nervenzellen des zentralen Nervensystems regenerieren zu können. Experimente mit dem klinisch zugelassenen Medikament Taxol, das Mikrotubuli stabilisiert, unterstützen diese Ansicht. Die Stabilisierung von Mikrotubuli reaktiviert einerseits das zelluläre Programm der neuronalen Polarisierung und reduziert die Narbenbildung, ein zentrales Hindernis axonaler Regeneration. In der Folge konnte die Arbeitsgruppe Bradke nachweisen, dass die Stabilisierung von Mikrotubuli zur Verbesserung des Gangs von rückenmarksverletzten Tieren führt und deren Rückenmarksverletzungen funktionell erheblich verbessert. Diese bahnbrechenden Erkenntnisse bilden einen Meilenstein im Verständnis neuronaler Regeneration nach Verletzungen.
Darüber hinaus forschte Frank Bradke auf dem Gebiet molekularer Signalwege, die die Entwicklung und Regeneration von Axonen in kritischer Weise steuern. Er und sein Team fanden heraus, dass zentrale Aktin regulierende Proteine in der physiologischen Regulation neuronaler Polarisierung essentiell beteiligt sind und insbesondere die Dynamik des Aktin-Zytoskeletts kontrollieren. Durch diese Daten wurden wichtige Regulatoren des neuronalen Wachstums identifiziert und die Grundlage zum Verständnis der axonalen Regeneration gelegt.
Ein wichtiges Merkmal der Forschung von Frank Bradke ist, dass seine konzeptionell bedeutsamen Beiträge zur Entwicklung und Regeneration des Nervensystems mit der Entwicklung neuer Methoden zur Gewebebildgebung einhergingen. Diese Forschungslinie gipfelte in der Etablierung der Ganzgewebebildgebung, die es ermöglicht, das Nervensystem und andere Gewebe ohne vorherige histologische Schnitte abzubilden. Dies war ein echter Durchbruch in der optischen Bildgebung und hat sich rasch zum neuen "Maßstab" im Bereich der Neuroregeneration entwickelt. Sie gilt aktuell als optimale Methode zur Verfolgung regenerierender Axone. Darüber hinaus erlaubt die neue Methodik, die Verdrahtung des Nervensystems mit beispielloser Klarheit zu untersuchen. Die von ihm und seinem Team entwickelte Methode wird weltweit für verschiedene Bildgebungsanwendungen eingesetzt und war auch ausschlaggebend für weitere Methodenentwicklungen.
Im Laufe seiner wissenschaftlichen Arbeit hat Frank Bradke sein einzigartiges Talent als visionärer Forscher unter Beweis gestellt. Diese Qualität wurde von der biomedizinischen Wissenschaftsgemeinschaft mit der Verleihung des Schellenberg-Preises (2011), der an die besten Wissenschaftler im Bereich der Regeneration vergeben wird, sowie mit seiner Wahl in die EMBO (2013) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2014) gewürdigt. 2016 erhielt Frank Bradke den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zusätzlich zu diesen Erfolgen hat er den international viel beachteten Roger de Spoelberch Preis erhalten (2018) gefolgt vom Carl-Zeiss Preis (2021). Frank Bradke hat mehrere bedeutende Rufe aus dem Ausland erhalten. Es ist ein großer Erfolg für die deutsche Wissenschaft, dass er in Deutschland gehalten werden konnte.
Frank Bradke hat über viele Phasen seiner Karriere herausragende und visionäre Forschung betrieben. Seine Erkenntnisse haben das Verständnis neuronaler Entwicklung und axonaler Regeneration maßgeblich geprägt und sind wegweisend für das gesamte Forschungsgebiet.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Johannes Krause
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Johannes Krause (geboren 1980) hat eine höchst erstaunliche Karriere hinter sich. Von seiner thüringischen Heimat zog es ihn bald nach Leipzig, wo er zunächst das Studium der Biologie begann. Er schwenkte aber um zum für ihn interessanteren Studium der Genetik unter der Anleitung von Svante Pääbo an der Leipziger Universität sowie am dortigen Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. 2008 wurde Johannes Krause im Fach Genetik promoviert und begann sein Postdoktorat mit Bravour, um aber schon sehr bald (2010) eine Junior-Professur in Paläogenetik an der Universität Tübingen zu erhalten. 2013 berief ihn dieselbe Universität auf eine Ordentliche Professur für Archäo- und Paläogenetik. Nur ein Jahr später (2014) wurde Krause zu einem der Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für die Wissenschaft der Menschheitsgeschichte in Jena ernannt, wo er die Abteilung „Archäogenetik“ leitete. Fast zu derselben Zeit (2017) wurde er wiederum zu einem der Gründungsdirektoren des Max Planck-Harvard Research Center for the Archaeoscience of the Ancient Mediterranean berufen. Im Jahre 2018 wurde Johannes Krause erneut zum Ordentlichen Professor ernannt – diesmal für „Archäogenetik“ am Institut für Zoologie und Evolutionäre Forschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Jahr 2020 schließlich wurde Krause noch einmal „umernannt“ zu einem Direktor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Das Labor von Johannes Krause und seinem Team hat von mehr als 2.000 Fundplätzen auf allen Kontinenten und über 45.000 Jahren genetisches Material gesammelt, das im Wesentlichen vom modernen Menschen stammt. Unter den Proben finden sich aber auch vielfach Objekte von Universitätssammlungen, wie zum Beispiel Virchows Sammlung. Was aber besonders interessiert, sind menschliche Überreste der letzten 10.000 Jahre in Europa, die von Krauses Team aus tausenden von menschlichen Skeletten rekonstruiert wurden. Seine Analysen zeigen, dass die Jäger und Sammler vor etwa 45.000 Jahren nach Europa einwanderten und ca. 8.000 Jahre lang unter sich blieben. Nach dieser Zeit breiteten sich die Ackerbauern in ganz Europa aus und verdrängten Jäger und Sammler. Ab 5.000 Jahren erschien die Kultur der „Steppenreiter“ aus den innerasiatischen Steppen, die sich als nomadische Viehhirten östlich bis zum Altai-Gebirge und westlich bis England ausbreiteten, wobei die Urbevölkerung in vielen Gebieten stark zurückgedrängt wurde, zuweilen bis zu 95 Prozent. Die Steppeneinwanderer brachten womöglich auch die indogermanischen Sprachen nach Europa, während die Ackerbauern ihre letzten Sprachen, das Etruskische, das Paläosardische und das Minoische mit Ausnahme des Baskischen verloren. Eine weitere, Aufsehen erregende Entdeckung Krauses und seines Teams betrifft eine schwere Krankheit, nämlich die Pest (Yersinia pestis), die Johannes Krause bis zur Steinzeit zurückverfolgte. So konnte er die Genome der Erreger des Schwarzen Todes und der Justinianischen Pest rekonstruieren und zeigen, dass etwa 50 Millionen Opfer des Schwarzen Todes durch einen identischen Pest-Erreger getötet wurden. Nach seiner Entstehung im mittelalterlichen Europa hat sich dieser Pest-Erreger in der ganzen heutigen Welt ausgebreitet, nämlich bis nach Madagaskar und dem Grand Canyon.
Die Leistungen von Johannes Krause sind fürwahr atemberaubend, und wir werden wohl noch viele Überraschungen von ihm erwarten dürfen. Zweifellos ist er ein ausgezeichneter Träger für den Akademiepreis 2022.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Peter R. Schreiner
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Peter R. Schreiner wurde 1965 in Nürnberg geboren. Er studierte Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg von 1987 bis 1992 (Diplomchemiker mit Auszeichnung) und von 1990 bis 1991 an der University of Georgia in Athens bei R. K. Hill (Master of Science). Peter Schreiner entschied sich danach für zwei Promotionen: die erste in experimenteller Chemie bei Paul von Ragué Schleyer in Erlangen (1992–1994) und die zweite in theoretischer Chemie bei Henry „Fritz“ Schaefer III in Athens (1992–1995) – in beiden Fällen bestand er mit summa cum laude. Beide Doktorväter waren von außergewöhnlicher Qualität, sodass Schreiner eine sehr gute und komplementäre Ausbildung erhielt. Aus dem Zusammenspiel beider Arbeitsfelder sollte er seine wegweisenden Ideen und deren experimentelle wie theoretische Realisierung beziehungsweise Begründung schöpfen. Es folgten die Habilitation auf einer Assistenzprofessur an der Georg-August-Universität Göttingen (1996–1999) und Rufe auf ein Associate und bald ein Full Professorship in Athens (1999–2002). 2002 nahm Schreiner den Ruf auf einen Lehrstuhl (C4, später W3) für Organische Chemie an der Justus-Liebig-Universität Gießen an, den er bis heute innehat. Es ist sehr bemerkenswert, dass Peter Schreiner schon in dieser Zeit entscheidende Beiträge zur 2002 erschienenen Encyclopedia of Computational Chemistry liefern konnte. Er ist seitdem Mitherausgeber des Journal of Computational Chemistry sowie anderer Zeitschriften.
Das wissenschaftliche Werk von Peter Schreiner umfasst derzeit rund 360 Arbeiten mit 19.433 Zitationen und h-Index 65 (nach Google Scholar 19.09.2019, 17:45), die überwiegend hochrangig publiziert sind. Unter den vielen großartigen Ergebnissen, die Schreiner mit seiner Arbeitsgruppe und seinen Kooperationspartnern erzielt hat, sei eines der bedeutendsten hervorgehoben: die Tunnel-Kontrolle chemischer Reaktionen. Das theoretisch existierende Molekül Hydroxycarben war 2011 noch nicht nachgewiesen, doch Schreiner und seinen Partnern gelang es, das Molekül bei -263° in einer Argonmatrix spektroskopisch nachzuweisen. Innerhalb von wenigen Stunden bildete sich nun Acetaldehyd, was angesichts der kinetischen Barriere nicht „erlaubt“ war. Weil thermische Reaktionen bei so tiefen Temperaturen nicht stattfinden können, blieb nur eine weitere Lösung, nämlich der quantenmechanische Tunneleffekt – der war zwar durch Friedrich Hund 1927 eingeführt worden, hatte aber bis dato nicht zu Anwendungen in der Chemie geführt. Genaue Rechnungen zeigten die Richtigkeit dieser Annahme: nicht die Höhe, sondern die Breite der Barriere entscheidet, sodass der Tunneleffekt relativ schnell verlaufen kann. Damit war eine dritte Kontrolle für chemische Reaktionen gefunden, die weitreichende Konsequenzen für das grundsätzliche Verständnis und das Design chemischer Reaktionen hat und das Lehrbuchwissen verändern wird.
Andere bedeutende Arbeitsgebiete von Peter Schreiner sind organische Katalysatoren: der „Schreiner-Thioharnstoff-Katalysator“ ist heute weltweit im Einsatz. Ein anderes Feld von großem Gewicht sind die von Schreiner aus Rohöl synthetisierten Nanodiamanten, als Bausteine für neue Materialien; auf diesem Gebiet ist Schreiner „Weltmarktführer“.
Peter Schreiner ist vielfach ausgezeichnet worden, durch Preise, Stipendien, Mitgliedschaften und Named Lectures. Hervorzuheben sind die Dirac-Medaille der World Association of Theoretically Oriented Chemists (2003) und der ihm im vergangenen Mai 2019 verliehene Preis für Physikalisch-Organische Chemie der Royal Society of Chemistry, die bis dato kein nicht-angelsächsischer Chemiker entgegennehmen durfte. Zu erwähnen ist auch die Mitgliedschaft in der Leopoldina, neben anderen Akademien – allerdings nicht der BBAW.
Hervorzuheben sind auch die Leistungen, die Schreiner für die wissenschaftliche Gemeinschaft erbringt: als Herausgeber, als Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien und als Vizepräsident für Forschung und Senatsmitglied der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Abschließend sei aus dem Gutachten des Nobelpreisträgers Roald Hoffmann zitiert: „Peter Schreiner is a uniquely talented organic chemist and theoretician in a way that anticipates the future of chemistry [...]. Peter Schreiner, the organic chemist of the 21st century, would be an absolutely ideal selection for the Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.“
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. med. Hanna Monyer
für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Hannah Monyer ist eine herausragende und weltweit anerkannte Neurobiologin auf dem Fachgebiet der molekularen Grundlagen synchroner und oszillatorischer Netzwerkaktivität. Diese Netzwerke gelten gemeinhin als Grundlage kognitiver Prozesse und sind konstitutiv für das Entstehen von Repräsentationen der Außenwelt sowie auch für andere kognitive Leistungen, wie z. B. Gedächtnis, Lernen und Aufmerksamkeit.
Ihr besonderes Forschungsinteresse gilt den inhibitorischen GABA-Rezeptoren und deren die Erregung hemmenden Interneuronen. Mit ihren bahnbrechenden Arbeiten über diese GABAergen Interneuronen erregte Hannah Monyer weltweites Aufsehen. Es gelang ihr der Nachweis, dass diese eine zentrale Bedeutung für die Oszillation neuronaler Netzwerke haben, indem sie nicht nur kleine regulatorische Schaltkreise bestimmen, sondern als Projektionsneurone über große Distanzen kooperierende neuronale Netzwerke im Hirn zeitlich koordinieren. Die herausragenden wissenschaftlichen Leistungen Hannah Monyers beruhen darauf, dass sie in bewundernswerter Weise zentrale Fragen der Hirnforschung stets mit einem Repertoire von fortgeschrittensten experimentellen Methoden u. a. aus der Gentechnik, der Optogenetik und der Elektrophysiologie angeht.
Hannah Monyers Forschungen wurden bereits mit zahlreichen Preisen und Ehrungen gewürdigt: 2004 erhielt sie den Gottfried Wilhelm Leibniz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2005 wurde ihr der deutsch-französische Gay-Lussac-Humboldt-Preis zugesprochen, und 2006 folgte der Forschungspreis der Philip Morris Stiftung. Hannah Monyer ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2005), der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (2007) und der Academia Europaea (2016). Im Jahr 2017 erhielt sie den Tsungming Tu Award, die höchste akademische Ehre für Ausländer in Taiwan.
Hannah Monyer wurde 1957 in Großlasseln (Rumänien) geboren. 1975 emigrierte sie nach Deutschland und studierte Medizin in Heidelberg. Nach der Promotion in Humanmedizin arbeitete sie in der Heidelberger Neuropädiatrie und der Kinderpsychologie, war im Anschluss in Stanford tätig, um danach wieder in Heidelberg mit Peter Seeburg, einem Pionier der seinerzeit gerade entstehenden Gentechnik, zusammenzuarbeiten. 1993 habilitierte sich Hannah Monyer und erhielt die Venia legendi für Biochemie. 1999 wurde sie auf eine Hermann und Lilly-Schilling-Stiftungsprofessur berufen, sodass sie eine unabhängige Arbeitsgruppe aufbauen konnte. 2002 wurde sie zur Ärztlichen Direktorin der Klinik für Neurobiologie in Heidelberg berufen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Peter Scholze
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Der mit 50.000 Euro dotierte Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften für herausragende wissenschaftliche Leistungen geht in diesem Jahr an den 28-jährigen Mathematiker Prof. Dr. Peter Scholze vom Hausdorff Center for Mathematics der Universität Bonn.
Peter Scholze gehört weltweit zu den herausragenden mathematischen Ausnahmetalenten. Sein Arbeitsgebiet liegt an der Schnittstelle der Arithmetischen Algebraischen Geometrie und der Theorie der Automorphen Formen, also Gebieten, die von klassischen Fragen der Geometrie und Funktionentheorie des 19. Jahrhunderts ausgehen. Die Suche nach Antworten auf die zentralen Fragen dieses Bereichs hat zu einem der anspruchsvollsten theoretischen Gebäude der Mathematik geführt, an dessen Weiterentwicklung einige der besten Mathematiker unserer Zeit arbeiten. Mit dem von Peter Scholze in seiner Dissertation geprägten und theoretisch ausgearbeiteten Begriff der „perfektoiden“ Räume gelang in rascher Folge die Lösung mehrerer bedeutender und seit langem offener Probleme. Sein als revolutionär geltender Ansatz hat ihm einen führenden Platz in der Spitzengruppe seines Arbeitsgebietes gesichert und hohe Erwartungen an die weitere Entwicklung geweckt.
Der Akademiepreis 2016 führt die beachtliche Liste hoher Auszeichnungen fort, die Peter Scholze bereits zuteilwurden. So erhielt er jeweils als erster Deutscher 2011 die Clay Fellowship der Clay Foundation, 2013 den Prix Peccot des Collège de France, 2014 den Clay Research Award und 2015 den Cole Prize for Algebra der American Mathematical Society. 2012 war er Invited Speaker at „Current Developments in Mathematics“ an der Harvard-Universität und erhielt den Hausdorff-Gedächtnispreis, 2013 folgte der Sastra Ramanujan Prize. Er wurde zu bedeutenden Lectures nach Bombay, Princeton, Seoul und Tokyo eingeladen. 2015 wurde ihm der Ostrowski-Preis der gleichnamigen Stiftung in Basel zuerkannt. 2016 folgte der Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Diese Ehrungen unterstreichen die Tatsache, dass Peter Scholze mit erst 28 Jahren bereits zu den weltweit richtungsweisenden Mathematikern gehört.
Peter Scholze wurde 1987 in Dresden geboren. Nach dem Abitur am Heinrich-Hertz-Gymnasium in Berlin absolvierte er sein Mathematikstudium in Bonn in nur fünf Semestern; 2012 wurde er bereits promoviert. Noch im selben Jahr wurde er auf einen der herausgehobenen Hausdorff-Lehrstühle am Mathematischen Institut der Universität Bonn berufen, wo er seitdem tätig ist.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Andreas Bausch
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Andreas Bausch, Jahrgang 1970, hat an der TU München und in Montréal Physik studiert, wurde in München promoviert (1999) und weilte als Postdoktorand von 2000 bis 2002 an der Harvard University. Von dort folgte er einem Ruf an die TU München und erhielt dort einige Jahre später einen eigenen Lehrstuhl. Attraktive Rufe nach Singapore, Strasburg und Illinois, einem führenden Zentrum der Biophysik in den USA, lehnte er ab. Herr Bausch ist der erste Wissenschaftler in Europa, dem sowohl der ERC Starting Grant (2011) als auch der ERC Advanced Grant (2012) verliehen wurde, und unter den ERC Advanced Grant Preisträgern gehört er zu den jüngsten.
Andreas Bausch hat bahnbrechende Entdeckungen auf dem Gebiet der Physik biologischer und biomimetischer Materialien erzielt, die eine ungewöhnliche Spannweite demonstrieren und zugleich auf mehreren Gebieten neue Horizonte eröffnen. Diese Entdeckungen basieren auf seiner besonderen Fähigkeit, grundlegende Aspekte der Chemie, der Physik und der Biowissenschaften zu vereinen. Da er außerdem sowohl ein äußerst befähigter Experimentator als auch ein sehr begabter Theoretiker ist, ist es ihm in systematisch aufbauender Arbeit gelungen, zu grundlegenden Fragen der Biophysik der Zelle entscheidende neue Beiträge zu leisten. Die wissenschaftlichen Arbeiten von Andreas Bausch haben der Physik biologischer Systeme und weicher Materialien neue Wege gewiesen.
Seine fächerübergreifende Denk- und Arbeitsweise spiegelt sich bereits in seinem wissenschaftlichen Werdegang: In seiner Masterarbeit befasste er sich mit Elektrophysiologie, seine Doktorarbeit schrieb er über Zellmechanik, als Postdoktorand entdeckte er neue kolloide Systeme. Herr Bausch entwickelte die Methode der magnetischen Pinzetten, mit der erstmals Messungen nanoskopischer viskoelastischer Module spezifischer Organellen der Zelle möglich wurden, die neue Wege zur Aufklärung von Modifikationen des Zytoskeletts durch Pharmaka oder Mutationen eröffneten; diese Methode gehört heute zum Standardrepertoire aller Experten.
Andreas Bausch erfand weiterhin eine neue Methode zur Einkapselung von Materialien, die inzwischen ebenfalls weit verbreitete Technik der Colloidosomen. Diese aus der Grundlagenforschung erwachsene Methode der Selbstorganisation von Kolloiden wurde inzwischen in der Pharmazie zur Marktreife entwickelt. Damit gelang ihm durch experimentelle Bestätigung die Lösung der von J. J. Thomson vor mehr als 100 Jahren aufgeworfenen Frage nach der Existenz zweidimensionaler Kristalle auf gekrümmten Oberflächen. Auch die Defektdynamik dieser Kristalle konnte von ihm erstmals bestimmt werden; diese Arbeiten stimulierten unter anderem die Entwicklung neuer Theorien der Deformation zweidimensionaler Festkörper. Sodann entwickelte Bausch eine neue Generation von Biosensoren auf der Basis von Silizium-Chips, mit einzigartiger Nachweisempfindlichkeit von Biomolekülen. Eine ebenfalls von ihm entwickelte Mikrofluid-Technik eröffnet neue Möglichkeiten zur Herstellung synthetischer Seide und bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer Verarbeitungsmethoden dieses vielversprechenden Materials.
Einen Glanzpunkt im bisherigen Werk von Andreas Bausch bilden die Aufklärung der physikalischen Grundlagen der Selbstorganisation von Aktinbündeln definierter Dicke sowie die Entwicklung von experimentellen Modellen aktiver makromolekularer Netzwerke von Aktin/Myosin-Systemen. Da zur quantitativen Beschreibung derartiger Netzwerke den Physikern wenig vertraute theoretische Wege beschritten werden müssen, entwickelt Bausch derzeit gemeinsam mit Maschinenbauingenieuren neue Methoden zur Simulation der Mechanik aktiver Netzwerke – eine sicherlich zukunftsweisende Kooperation.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Helmut Cölfen
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Helmut Cölfen, Jahrgang 1965, hat in Duisburg Chemie studiert, wurde dort 1993 mit summa cum laude promoviert und habilitierte sich 2001 in Potsdam. Er war zunächst Forschungsassistent für Angewandte Physikalische Chemie in Duisburg (1991-1993), ging dann 1995 als Wissenschaftler an das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, wo er eine Forschungsgruppe leitete, und war von 2004 bis 2010 Privatdozent an der Universität Potsdam. Seit Mai 2010 ist er Professor für Physikalische Chemie in Konstanz. Er hat verschiedene Vorlesungen an externen Institutionen gegeben und war Gastprofessor an der ETH Lausanne.
H. Cölfen erhielt in seiner bisherigen Laufbahn bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Studienabschlusspreis des Fonds der Chemischen Industrie (1993) und den Dr. Hermann Schnell Preis der Deutschen Chemischen Gesellschaft für den besten Nachwuchswissenschaftler in der Polymerforschung (2000). 2006 hielt er die Steinhofer Vorlesung in Freiburg, 2011 wurde er in der von Thomson Reuter herausgegebenen Liste der TOP-100 Chemiker weltweit in den Jahren 2000-2010 aufgeführt, in der auch mehrere Nobelpreisträger genannt sind. Von seiner international herausragenden Stellung als Wissenschaftler zeugen auch die (Ko)-Organisation von sieben internationalen Symposien, mehr als 130 eingeladene Vorträge und Vorlesungen sowie die Berufung in Editorial und Advisory Boards namhafter Fachzeitschriften.
Auf der Grundlage seiner Ausbildung als physikalischer Chemiker hat Helmut Cölfen ein äußerst breit gefächertes Forschungsspektrum entwickelt. Seine Untersuchungen decken Bereiche der Biologie, der Chemie und der Physik ab und tragen in bemerkenswerter Weise zum fachübergreifenden Grundlagenverständnis bei. Er hat bereits als junger Forscher international anerkannte fundamentale Durchbrüche erzielt und gilt als herausragender Fachmann in den Forschungsfeldern Kristallisation, Biomineralisation, selbstorganisierte Materialien, Hybridmaterialien und hochaufgelöste Analyse von Nanopartikeln und Makromolekülen. Sein bisheriges Gesamtwerk mit mehr als 220 Publikationen in renommierten wissenschaftlichen Journalen wie Science und Nature Materials ist nach Umfang und Qualität überragend, und seine Forschergruppe gilt als weltweit führend.
Seine wohl bemerkenswerteste Leistung stellen seine jüngeren Arbeiten zu Kristallisationsmechanismen dar, mit denen er wie kein anderer die moderne Sichtweise der Kristallisation geprägt hat. Er entdeckte, dass ein Kristallisationsprozess nicht nur, wie es seit dem 19. Jahrhundert anerkannt war, über die Fusion von Atom/Molekül-Baueinheiten stattfindet, sondern auch durch die gerichtete Fusion nanopartikulärer Einheiten ablaufen kann. Dies ist ein bahnbrechendes Ergebnis von fundamentaler Bedeutung, das die Sichtweise von Kristallisationsmechanismen geändert und vielfältige Anwendungen in der theoretischen und der angewandten Forschung gefunden hat. Gleichfalls ein Durchbruch war die Entdeckung von stabilen Prenukleationsclustern, also einer Erweiterung der nichtklassischen Spezies von Kristallwachstum auf die Nukleations- und Prenukleationsphase, die nach allen Kristallisationstheorien, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden, nicht existieren sollte.
Die Pionierarbeit von Helmut Cölfen hat nicht nur neue analytische Werkzeuge geschaffen, sondern auch die Möglichkeiten der Kontrolle von Kristallisationsreaktionen und der Selbstorganisation von Nanopartikeln signifikant erweitert. Seine Forschungsergebnisse haben bestehende Theorien und Lehrbuchmeinungen überholt, neue Paradigmen an ihre Stelle gesetzt und ein international intensiv bearbeitetes Forschungsgebiet eröffnet. In der Würdigung von Cölfens fraglos bahnbrechenden Leistungen ist vor allem auch die Eleganz seiner Arbeit hervorzuheben, in der sich theoretische Tiefe und experimentelle Virtuosität in seltener Weise verbinden.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Bernhard Schölkopf
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Bernhard Schölkopf, Jahrgang 1968, hat in Tübingen und London Physik, Mathematik und Philosophie studiert. 1997 promovierte er an der TU Berlin in Informatik. 2001 bis 2011 war er Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Forschungsaufenthalte führten ihn u. a. nach Canberra und Cambridge. Seit Mai 2011 ist er Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Tübingen und Stuttgart. Er lehrte an der Humboldt-Universität zu Berlin und der TU Berlin sowie in Tübingen, seit 2002 ist er Honorarprofessor an der TU Berlin. Er erhielt zahlreiche herausragende Preise, zuletzt 2011 den Max-Planck-Forschungspreis. Er ist einer der Gründungsdirektoren des geplanten Max-Planck-Instituts für intelligente Systeme in Tübingen und Stuttgart.
1994 ging Herr Schölkopf mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes an die Bell Laboratories New Jersey; er forscht seither im Bereich des maschinellen Lernens. Heute gehört er international zu den bedeutendsten Wissenschaftlern auf diesem Gebiet. Mit seinem Forscherteam entwickelt er neue Lernverfahren, die Strukturen in beobachteten Daten erkennen können. Er erforscht Algorithmen, mit denen sich Computerprogramme so programmieren lassen, dass sie flexibel auf neue Situationen reagieren können. Er hat die von Boser, Guyon und Vapnik 1992 erfundene Stützvektormethode theoretisch wie praktisch analysiert, erweitert und verbreitet und aus der theoretischen Idee durch hohen intellektuellen und persönlichen Einsatz ein weithin anerkanntes Methodenspektrum etabliert, dessen Anwendungen heute noch nicht in vollem Umfang absehbar sind. Die Bedeutung dieser Leistung wird vor allem deutlich vor dem Hintergrund der Schwerpunktverlagerung der modernen Statistik und der künstlichen Intelligenz zu hochdimensionalen, heterogenen Schätzproblemen mit wenigen Daten pro Freiheitsgrad. Besonders zu würdigen ist auch der große Einfluss, den Herr Schölkopf nicht nur durch eigene Arbeiten und Kongressbeiträge, sondern auch durch die Bildung interdisziplinärer Netzwerke und die Verfassung von Lehrbüchern auf diesen Paradigmenwechsel verwendet hat. Wissenschaftliche Forschungsfelder gerade auch in der Biologie, der Medizin und den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften haben von diesen Methoden stark profitiert. Sie sind weltweit führend und kommen nicht nur in Firmen der Informationstechnologie zum Einsatz, sondern spielen auch eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung wissenschaftlicher Beobachtungsdaten insbesondere bei hochdimensionalen Daten und bei großen Datenmengen.
In jüngerer Zeit hat sich B. Schölkopf mit dem Problem der kausalen Datenanalyse beschäftigt und dabei einen interessanten Zusammenhang zwischen Kausalität und Beschreibungskomplexität gefunden. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er eine Methode entwickelte, die dabei ist, sich als neuer Standard auf dem Feld der kausalen Inferenz zu etablieren.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Martin Mulsow
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Martin Mulsow, Jahrgang 1959, gehört zu den führenden Köpfen in der Geistes- und Philosophiegeschichte der Frühen Neuzeit. Er hat Philosophie, Germanistik und Geschichte in Tübingen, Berlin und München studiert, wurde 1991 in München promoviert und habilitierte sich hier im Jahre 2000. In seiner Habilitationsschrift „Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720“ und den darauf aufbauenden Arbeiten hat er eine neue Sicht auf die deutsche Aufklärung ermöglicht. Von 2000 bis 2005 war er Privatdozent an der Universität München, leitete von 2001 bis 2005 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Autorität und Pluralität in der Frühen Neuzeit“ ein Forschungsprojekt zur Geschichte der gelehrten Libertinage und wurde 2005 auf den Lehrstuhl für Geschichte an der Rutgers University New Brunswick (NJ) berufen. Seit 2008 ist er Direktor des Forschungszentrums Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt und Inhaber des Lehrstuhls für Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Martin Mulsow war Member des Institute for Advanced Study in Princeton (2002/2003), Gastprofessor an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris (2005) und Member des Center for Theological Inquiry, Princeton (2007/2008).
Martin Mulsow hat sich zunächst mit dem Deutschen Idealismus und dann mit der Renaissancephilosophie beschäftigt, ehe er sich der Aufklärung zuwandte. Mit seinen Arbeiten zur radikalen Frühaufklärung und zur Konstellationsforschung ist es ihm gelungen, die deutsche Forschung zur Frühaufklärung, was Methode und Gegenstand anbelangt, an den internationalen Stand anzuschließen. Seit etwa zwei Jahrzehnten spielt die Frage nach der Untergrundbewegung der Aufklärung, nach ungedruckten Manuskripten, nach Umgehung der Zensur und der Entwicklung der radikalen Religionskritik eine bedeutende Rolle in der Erforschung der Frühen Neuzeit. Mit seinem an Dieter Henrichs Idealismusstudien orientierten Konzept zur Konstellationsforschung geht Mulsow weit über die Erforschung dissidenter Einzelgänger und den philosophischen Kontext hinaus. Er beschreibt die Aufklärung als einen Radikalisierungsprozess, der zum Teil auf intendierten Aktivitäten, zum Teil aber auch auf unintendierten Effekten beruht, wobei für beide Aspekte „clandestine Literatur“– verbotene, handschriftlich zirkulierende Texte – eine wesentliche Rolle spielt. Am Graduiertenkolleg „Untergrundforschung“ am Forschungszentrum Gotha untersucht er die im Untergrund operierende philosophische Libertinage in ihren Überschneidungen mit anderen clandestinen Aktivitäten wie Spionage, Separatismus, Vagantentum oder Kriminalität. Mit all diesen Impulsen hat er den Horizont der Philosophiegeschichtsschreibung ausgeweitet, sie mit Anthropologie und Netzwerkforschung angereichert und auf eine moderne Kulturgeschichte hin geöffnet.
Die Tatsache, dass er die Gelehrtengeschichte, die Geschichte der Philosophie und der Philologie ebenso wie die Philosophie der Religion in der Frühen Neuzeit in methodischer Weise neu zugänglich gemacht hat und dass dieser Zugang von der Forschung in so breiter Weise aufgenommen worden ist, spricht für Martin Mulsows Rang als Forscher und Kommunikator. Seine bedeutende Stellung wird auch durch die internationale Anerkennung seiner Arbeiten unterstrichen, darunter die zweimalige Auszeichnung mit dem Forkosch-Preis für den besten Artikel des Jahres im Journal of the History of Ideas. Mit dem Akademiepreis wird ein herausragender Wissenschaftler ausgezeichnet, für die Fülle seiner bewundernswerten Einzelstudien ebenso wie für ein neues Konzept, von dessen Durchschlagskraft noch viele bemerkenswerte Einsichten zu erwarten sind.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Michael Kramer
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Michael Kramer, Jahrgang 1967, ist einer der weltweit anerkanntesten Radioastronomen seiner Generation. Seine in den letzten Jahren gemachten Entdeckungen haben wesentlich zu einer Transformation der Pulsarastronomie beigetragen, was dieses Forschungsfeld wieder in den Kreis der bedeutendsten Bereiche der Astronomie und sogar Fundamentalphysik geführt hat. Pulsare sind rotierende Neutronensterne, die aus der extremsten und exotischsten Materie unseres Universums bestehen und dementsprechend sehr ungewöhnliche Eigenschaften aufweisen, weshalb Entdeckungen in diesem Feld auch schon zweimal mit Nobelpreisen gewürdigt wurden. Herr Kramer hat die Pulsarforschung durch seine Arbeiten mit sehr bedeutsamen Ergebnissen bereichert und substantiell weiterentwickelt.
M. Kramer hat in Köln und Bonn studiert (1987-1993) und 1995 in Bonn promoviert. Seine am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) entstandene Dissertation über radioemittierende Pulsare wurde mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ermöglichte ihm einen Forschungsaufenthalt an der University of California in Berkeley (1998/99), dem sich ein Aufenthalt am weltweit anerkannten Zentrum der Pulsarforschung, dem Jodrell Bank Observatory in Manchester anschloss (1999-2009). Mit seinen dortigen Arbeiten erlangte er große internationale Aufmerksamkeit. Er wurde zum Professor for Astrophysics at the University of Manchester berufen (2006) und war Associate Director am Jodrell Bank Centre for Astrophysics. 2008 berief ihn die Max-Planck-Gesellschaft zu ihrem Mitglied, seit März 2009 ist er Direktor am MPIfR.
M. Kramer war maßgeblich an der Entdeckung von 50% aller bekannten Pulsare beteiligt, insbesondere an der Entdeckung der extremsten Doppelsternsysteme sowie der Pulsare mit den höchsten Magnetfeldern und dem kleinsten Alter. 2004 entdeckte und erforschte er das sogenannte Double Pulsar System, das erste System, in dem von beiden Sternen pulsierende Radioemission beobachtet werden kann; dieses System wird bald die besten Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie außerhalb des Sonnensystems erlauben. Und weil die Komponenten des Systems sich gegenseitig fast verfinstern, erhalten die Theoretiker zum ersten Mal Informationen tief aus der Magnetosphäre. 2006 entdeckte Kramer die sogenannten Rotating Radio Transients (RRATs), Pulsare, die sich regelmäßig ein- und ausschalten und oft nur 10% der Zeit aktiv sind. Dieses Phänomen konfrontiert die Astronomen mit neuen grundlegenden Fragen zur Theorie der Pulsare. Auch in seinen früheren Arbeiten lieferte Kramer wichtige Beiträge zur Pulsarforschung, darunter Erkenntnisse über die Radiostrahlung von Millisekunden-Pulsaren, die Entdeckung der Existenz von ionisiertem Gas in Kugelsternhaufen und die ersten Beweise für die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte „geodätische Präzession“ in starken Gravitationsfeldern.
Wenngleich all diese Leistungen heute nur durch die Arbeit von Forschungsgruppen möglich sind, ist die herausragende intellektuelle und kreative leitende Rolle von M. Kramer völlig unbestritten. Das Double Pulsar System hat sich zu „seinem“ System entwickelt – niemand hat mehr Folgeuntersuchungen durchgeführt oder eine größere Anzahl von interessanten Eigenschaften dieses Systems entdeckt, Gleiches gilt für die RRAT´s. Schließlich ist Kramer der deutsche Repräsentant des „Square Kilometer Array“ (SKA), das die nächste Generation der Radioteleskopie darstellt, und er wird sich langfristig wohl als sein stärkster Proponent erweisen. Für ein weiteres Projekt, ein Schlüsselprojekt des SKA zur Erforschung der Gravitation mit Hilfe von Pulsaren und Schwarzen Löchern, hat Herr Kramer kürzlich einen Advanced Grant des European Research Council von 2.5 Mio € gewonnen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Dr. Matthias Staudacher
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Matthias Staudacher (Jahrgang 1963) gehört zu den profiliertesten theoretischen Physikern der jüngeren Generation. Er studierte Physik an den Universitäten Heidelberg und München (LMU) sowie an der University of Illinois in Urbana-Champaign, wo er auch 1990 über Matrixmodelle der zweidimensionalen Quantengravitation promovierte. Es folgten Postdoc-Aufenthalte in New Jersey, Paris und Genf. Seit 1997 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Albert-Einstein-Institut, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Potsdam. Zum 1.9.2009 erhielt er einen Ruf auf die W3-Professur „Mathematische Physik von Raum, Zeit und Materie“ an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Bereits die ersten unter seinen bislang über 40 Publikationen erregten Aufsehen. Mit dem Akademiepreis wurden seine in den letzten fünf Jahren erzielten bahnbrechenden Ergebnisse zum Verständnis der sogenannten AdS/CFT-Dualität ausgezeichnet. Diese Dualität wurde von Juan Maldacena in den 1990er Jahre vermutet; sie besagt, dass zwei gänzlich verschiedene physikalische Theorien, die sogar in verschiedenen Dimensionen „leben“, dieselbe physikalische Realität beschreiben, wenn man die jeweiligen Observablen entsprechend zuordnet. Das ist insbesondere deshalb verblüffend, weil eine der beteiligten Theorien eine herkömmliche Quantenfeldtheorie vom Yang-Mills-Typ ist, die andere hingegen eine sogenannte Superstringtheorie. Die beteiligte Quantenfeldtheorie kann prinzipiell die Struktur der Materie beschreiben wie das Standardmodell der Elementarteilchenphysik und damit auch alle Wechselwirkungen mit Ausnahme der Gravitation, während die Superstringtheorie von vornherein die Gravitation berücksichtigt. Die Verbindung beider Theorien durch die vermutete Dualität hätte deshalb gute Aussichten, das Problem der „großen Vereinigung“ zu lösen, d.h. zu einer einheitlichen Theorie aller Naturkräfte zu führen. Diesem Problemkreis ist seit Maldacenas Startsignal eine außerordentliche Fülle von physikalischer wie mathematischer Literatur gewidmet worden, die zwar viele erstaunliche Zusammenhänge aufgedeckt, aber noch zu keinem wirklichen Durchbruch geführt hat.
Das ist nun Staudacher und seinen Mitarbeitern durch den Nachweis der sogenannten Integrabilität der Quantenfeldtheorie, d. h. das Auffinden einer prinzipiell exakten Berechnungsmethode, gelungen; dies wäre nach mehr als 50 Jahren vergeblicher Anstrengungen das erste Beispiel einer exakt lösbaren Quantenfeldtheorie überhaupt. Unter den internationalen Experten wird diese Leistung als eine der bedeutendsten Ergebnisse zur Quantenfeldtheorie in den zurückliegenden zehn Jahren angesehen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
PD Dr. Miloš Vec
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Miloš Vec, Jahrgang 1966, studierte Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und an der University of Keele, Staffordshire, England. 1989 wurde er in die Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen, inzwischen gehört er deren Auswahlausschuss an. 1992 legte er sein erstes und 1998 sein zweites juristisches Staatsexamen ab. Nach dem Studium war er Doktorand am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, gehörte bis 1995 dem „Graduiertenkolleg mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsgeschichte“ der Universität Frankfurt an und leitete eine selbstständige wissenschaftliche Nachwuchsgruppe, die sich mit dem bislang vernachlässigten Thema der Normierung im Bereich der Industriellen Revolution befasste. Er promovierte 1996 – seine Dissertation wurde mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet – und wurde 2005 in Frankfurt/Main habilitiert. Seit 2005 ist Vec wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte. Er gehört zu den ersten Mitgliedern der Jungen Akademie.
Miloš Vec hat ein umfangreiches wissenschaftliches Werk vorzuweisen und vielfach wissenschaftliches Neuland betreten. In seiner Dissertation und ersten großen Monografie „Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation“ analysiert er die politische Dimension des Zeremonialwesens aus verschiedenen Perspektiven – aus rechtshistorischer Sicht als eine Entwicklungsstufe der Selbstdarstellung frühmoderner Herrschaft, mit der Ungleichheiten sowohl sichtbar als auch erträglich gemacht werden. Die Regeln der Zeremonielle geben Aufschluss über Funktionsweisen von alteuropäischen Gesellschaften. In seiner Habilitationsschrift „Recht und Normierung in der Industriellen Revolution“ mit dem Untertitel „Neue Strukturen der Normsetzung in Völkerrecht, staatlicher Gesetzgebung und gesellschaftlicher Selbstnormierung“ stellt er unter rechtshistorischem Methodeneinsatz die Bedeutung gesellschaftlicher Faktoren für die staatliche Normsetzung schon im 19. Jahrhundert dar. Er zeigt, dass es sich bei den durchaus widerstreitenden Interessen an staatlichen und internationalen Regelungen um Kernprobleme handelt, die in den sich industrialisierenden Gesellschaften und im internationalen Warenverkehr gelöst werden mussten, und vermittelt so Einsichten in grundlegende Veränderungen der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Rechtsordnung in der sich entfaltenden Industriegesellschaft.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Martin Haspelmath
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Martin Haspelmath, Jahrgang 1963, studierte Linguistik und verwandte Fächer an den Universitäten Wien, Köln, SUNY-Buffalo und Moskau. Er wurde 1993 an der FU Berlin promoviert und drei Jahre später mit der Venia legendi für das Fach Allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft habilitiert. Als Heisenberg-Stipendiat war er an den Universitäten Bamberg und Pavia tätig. 1998 ging er als Forschungsgruppenleiter an das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Seit 1999 lehrt er als Honorarprofessor für Linguistik an der Universität Leipzig.
Martin Haspelmath gehört zu den weltweit bedeutendsten Sprachtypologen, historischen Linguisten und Morphologen. Davon zeugen drei international beachtete Monographien und weitere zahlreiche Publikationen in renommierten Verlagen und Zeitschriften, Gastprofessuren an internationalen Sommerschulen, die Einladung zu einem Fellowship am Center for Advanced Studies in Stanford sowie Mitgliedschaften in mehreren internationalen Editorial Boards.
Aus einem umfangreichen und hochrangigen wissenschaftlichen Œvre ragt ein Werk heraus, zu dem unter seiner wissenschaftlichen Leitung viele andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beigetragen haben: The World Atlas of Language Structures (WALS), ein monumentales Werk, wegweisend für die Sprachtypologie und die weltweite vergleichende Erforschung sprachlicher Strukturen und ihrer geografischen Verteilungen. Martin Haspelmath hat dieses Projekt initiiert und organisiert. Er ist Hauptherausgeber des WALS, war Koordinator aller Forschungen der etwa 40 Autoren. Sechs Kapitel hat er selbst verfasst. Mit der Vergabe des Akademiepreises wird auch zum Ausdruck gebracht, dass Erkenntnisgewinn vielfach nur durch Großprojekte möglich ist, und dass die zielorientierte Zusammenführung unterschiedlicher Expertise eine große wissenschaftliche Leistung darstellt.
Mit der Auszeichnung von Martin Haspelmath werden auch dieses Werk und alle an diesem Werk beteiligten Wissenschaftler gewürdigt. WALS (2005 von M. Haspelmath, M. Dryer, D. Gil und B. Comrie bei Oxford University Press herausgegeben) hebt das traditionelle Konzept der Sprachkartographie auf eine theoretisch, empirisch und methodisch-technisch neue Stufe. Er ist eine einmalige Darstellung der sprachlichen Vielfalt unserer Welt, beruht auf den Ergebnissen tausender Einzelsprachforscher und veranschaulicht erstmalig die geographische Verteilung von sprachlichen Strukturvariablen. Anhand von 142 Karten wird die areale Verteilung von Werten von 140 strukturellen Merkmalen kartographisch dargestellt; es werden 2.560 Sprachen erwähnt; der Atlas enthält 58.000 Datenpunkte. Strukturelle Eigenschaften statt der bisher geläufigen Laut- und Wortinventare kartographisch erfassen und darzustellen, setzt eine wesentlich systematischere, deskriptiv erschlossene Form der zu erfassenden Daten voraus, die nur als Ergebnis extensiver Analysen verfügbar sind. Das Projekt fasst insofern die Ergebnisse eines großen Bereichs deskriptiver linguistischer Arbeit zusammen und es erlaubt völlig neue, tiefer gehende Fragestellungen und Einsichten in Bezug auf typologische Eigenschaften natürlicher Sprachen und deren geographische Verteilung. Die Nutzung modernster Methoden der Datenverarbeitung ermöglicht über die Bereitstellung bisher nicht verfügbarer Daten und Darstellungsweisen hinaus die Verfolgung deskriptiver und theoretischer Fragstellungen, die bisher kaum auf systematische Weise empirisch untersucht werden konnten. So zeichnet sich schon jetzt die Erkenntnis ab, dass Strukturmerkmale viel stärker geographisch bedingt sind als bislang angenommen. Südostasien etwa hebt sich eindeutig von der Masse des eurasischen Kontinents ab.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Heino Falcke
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Heino Falcke, Jahrgang 1966, ist Astrophysiker und Radioastronom. Er hat an der Universität zu Köln und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Physik studiert, 1994 promoviert und wurde 2000 habilitiert.
H. Falckes wissenschaftliche Laufbahn ist bis heute eng verbunden mit der RFW-Universität Bonn und dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn (MPIfR). Er weilte zwischenzeitlich als Research Associate an der University of Maryland, USA (1995 - 1997). Im Frühjahr 1999 ging er als Visiting Professor an das Department of Astronomy & Steward Observatory der University of Arizona, USA. Seit 2000 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter> am MPIfR, seit 2001 lehrt er als Privatdozent an der Universität Bonn. Im Frühjahr 2003 nahm er eine Lehrstuhlvertretung an der Universität zu Köln wahr, seit 2003 ist er Adjunct Professor für Hochenergie-Astrophysik an der Universität Nijmegen und International Project Scientist des Projekts LOFAR am Radio-Observatorium Westerbork, Niederlande. Er ist Gründer und war von 1996 bis 2003 Editor des Galactic Center Newsletter. Im Jahr 2000 erhielt er den Ludwig-Biermann-Förderpreis der Astronomischen Gesellschaft.
Heino Falcke hat bahnbrechende Leistungen in seinem Fach erbracht. Seine wichtigsten theoretischen Beiträge hat er zur Physik schwarzer Löcher und ihrer Wechselwirkung mit der umgebenden interstellaren Materie vorgelegt. Seine besondere Leistung besteht in der weithin analytischen Erfassung dieser Theorie, die es ermöglicht hat, eine inzwischen Allgemeingut gewordene vereinheitlichte Sicht aller schwarzen Löcher beliebiger Masse und beliebiger Leistungsstufe zu formulieren. Die Vorhersagen seiner Theorie führten ihn und seine Gruppe zur Entdeckung vieler schwarzer Löcher. Über seine theoretischen Arbeiten hinaus hat er sich früh an experimentellen und beobachtenden Arbeiten beteiligt und sie initiiert. 2004 gelang es seiner Gruppe erstmalig in einem speziellen Fall, die Plasmaschicht im Abstand von wenigen Schwarzschild-Radien vom Schwarzen Loch (so dicht war man bis11 lang noch nie herangekommen) mit bildgebender Radiointerferometrie zu entdecken und die Vorhersage seiner Theorie zu bestätigen.
In den letzten Jahren befaßt sich Falcke mit Themen aus dem neuen Bereich der Teilchenastrophysik. Er untersuchte auf theoretischem Wege die Radiostrahlung, die beim Auftreffen hochenergetischer Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Erdatmosphäre zu erwarten ist und machte den Vorschlag, diese mit Niederfrequenz-Radioteleskopen zu beobachten. Aus diesem Vorschlag entstand beim Forschungszentrum Karlsruhe das Experiment LOPES, in dessen Ergebnis Natur und Herkunft der Teilchen der höchsten Energie studiert und eine der wichtigsten Fragen der Teilchenastrophysik aus einem neuen Blickwinkel angegangen werden kann. Die Ergebnisse fließen ein in den Bau des Projekts LOFAR, des größten Radioteleskops der Welt, das derzeit unter Falckes leitender Mitwirkung in Holland aufgebaut wird.
H. Falcke hat rund 200 Arbeiten zumeist in den angesehensten Fachjournalen sowie in Science und Nature publiziert. Seine Arbeiten haben großen Einflußauf die gegenwärtige Entwicklung der Astrophysik sowie der Teilchenastrophysik.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Michael Schön
für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Michael Schön, Jahrgang 1964, hat Humanmedizin an den Universitäten Ulm und Augsburg studiert, wurde 1992 in Ulm promoviert und 2000 in Düsseldorf habilitiert. Nach Stagen am Universitätsklinikum Berlin-Steglitz, war er 1994-1997 Research Fellow an der Harvard Medical School, anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hautklinik der Universität Düsseldorf, wo er das Labor für Immundermatologie und Tumorimmunologie aufgebaut und geleitet hat. Im Herbst 2000 wurde er zum Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ernannt. 2003 hat er eine von der DFG finanzierte Stiftungsprofessur am Rudolf Virchow Zentrum der Universität Würzburg erhalten und diese dem Ruf auf einen hochrangigen dermatologischen Lehrstuhl in den USA vorgezogen. Durch Forschungsgelder, die er mit seinen Arbeiten zur Krebsforschung eingeworben hatte, konnte an der Hautklinik der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg eine Stiftungsprofessur mit immunologisch-onkologischem Schwerpunkt eingerichtet werden.
Michael Schön ist ein international hoch renommierter Wissenschaftler auf den Gebieten entzündlicher Hauterkrankungen sowie der Hautkrebsforschung, was durch den Rang der Zeitschriften, in denen seine Arbeiten publiziert wurden, durch die Verleihung des Oscar-Ganz-Preises der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und des Dr. Günther-Wille-Forschungspreises für seine Habilitationsschrift belegt wird.
Neben der Aufdeckung von Mechanismen der T-Zellen-Rekrutierung und deren Bedeutung in der Entstehung und Diagnostik von Entzündungen liegt das besondere Verdienst von Michael Schön auf den Gebieten der Diagnostik und Therapie von Hauttumoren. Auf diesen Arbeitsfeldern hat er international mehrere Patente, neben anderen eines zur Induktion von Apoptose durch Imidazoquinoline. Es ist ihm in beispielhafter Weise gelungen, eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung und klinischer Anwendung zu schlagen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Frédéric Merkt.
Frédéric Merkt, Jahrgang 1966, hat Chemie an der ETH Zürich studiert und 1988 sein Diplom abgelegt. Er wurde 1992 an der Universität Cambridge (England) promoviert. Es folgten Postdoktorandenzeiten an der Université de Paris-Sud, Orsay, an der Stanford University sowie in Oxford (Junior Research Fellowship). 1995 wurde er mit 29 Jahren als Assistenzprofessor an die ETH Zürich berufen und dort 1999 mit 33 Jahren zum Ordinarius für Physikalische Chemie bestellt.
Die Forschungsarbeiten von Frédéric Merkt widmen sich der Untersuchung der strukturellen und dynamischen Eigenschaften elektronisch hochangeregter Zustände (sogenannte Rydbergzustände) von Atomen und Molekülen und deren Anwendung zur Lösung chemischer und technologischer Probleme. In den letzten Jahren wurde in seiner Gruppe an der ETH Zürich ein XUV-Lasersystem entwickelt, mit dem es durch die Kopplung der XUV-Strahlung mit hochauflösender Millimeterwellenstrahlung in Doppelresonanzexperimenten gelungen ist, Spektren von elektronisch angeregten Zuständen bei einer Auflösung von 60 kHz (0.000002 cm-1) aufzunehmen. Dieser Erfolg gilt als Durchbruch in der Elektronenspektroskopie. Dank der hohen Auflösung ist es nunmehr möglich, ungewöhnliche Eigenschaften hochangeregter Rydbergzustände empfindlich zu messen und damit sehr genaue Ionisationspotentiale und detaillierte spektroskopische Informationen über Molekülionen zu gewinnen. Erstmals spektroskopisch bestimmt werden konnte damit das für die Astrophysik wichtige Ammoniumradikal und das für die Atmosphärenchemie wichtige Methanradikalkation. Weitere fundamentale Untersuchungen wurden u. a. an Edelgasmolekülkationen durchgeführt. In neuester Zeit hat F. Merkt ein allgemeines Verfahren zur Erzeugung und Untersuchung organischer Radikalkationen in Überschallstrahlen vorgestellt.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Jürgen Gauß.
Professor Dr. Jürgen Gauß, Jahrgang 1960, hat in Köln Chemie studiert, 1984 sein Diplom erworben und 1988 am Lehrstuhl für Theoretische Chemie mit Auszeichnung promoviert. Studien- und Forschungsaufenthalte führten ihn an die Universität Hamilton, Kanada, an die Universität of Texas at El Paso und an die University Göteborg, Schweden. Jeweils ein Jahr verbrachte er als Postdoc an der University of Washington, Seattle und am Quantum Theory Project der University of Florida in Gainsville. Zunächst unterstützt durch das Liebig-Stipendium, später als wissenschaftlicher Mitarbeiter, begann J. Gauß 1991 am Lehrstuhl für Theoretische Chemie der Universität Karlsruhe mit der Arbeit an seiner Habilitation, die er 1994 erfolgreich abschließen konnte. 1995 wurde er zum C3-Professor für Theoretische Chemie, 2001 zum C4-Professor an die Universität Mainz berufen.
Jürgen Gauß hat auf seinem Hauptarbeitsgebiet, der Ab initio-Quantenchemie bereits in jungen Jahren bedeutende methodische Beiträge geleistet. Zuerst zu nennen sind analytische Ableitungen der Energie für Ab initio-Rechenverfahren, die Elektronenkorrelationen berücksichtigen. Sie sind von immanenter Bedeutung für Anwendungen in der Chemie, da nur damit routinemäßig die Gleichgewichtsstrukturen chemischer Systeme und der bei chemischen Reaktionen durchlaufenden Übergangszustände bestimmt werden können. Weiter zu nennen sind Verfahren zur Erfassung der Elektronenkorrelation bei offenschaligen Verbindungen. Sie sind wesentlich für die vielfältigen Prozesse, bei denen Radikale eine Rolle spielen. Der dritte und für die Chemie wichtigste Beitrag ist die Berechnung von NMR-Spektren (Magnetische Kernresonanz) unter Berücksichtigung der Elektronenkorrelation. Alle bisherigen erfolgreichen Ansätze gingen von der Hartree-Fock-Wellenfunktion aus, viele wichtige Fragen konnten damit aber nicht gelöst werden. Gemeinsam mit Experimentatoren gelang J. Gauß nun mit Hilfe berechneter NMR-Spektren u.a. die Identifikation von Carbokationen sowie der Nachweis niedervalenter Al- und Ga-Verbindungen.
Die Arbeiten von J. Gauß verbinden methodische Entwicklungen mit der Umsetzung in leistungsfähige Computerprogramme und mit relevanten Anwendungen in der Chemie. Er gilt als einer der international führenden Quantenchemiker und auf dem Gebiet der Ab initio Berechnung von Eigenschaften international praktisch als konkurrenzlos.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Albrecht Koschorke.
Professor Dr. Albrecht Koschorke, Jahrgang 1958, studierte in München und Paris Literaturwissenschaft, Philosophie und Ethnologie. Nach der Promotion 1989 in München war er Heisenberg-Stipendiat der DFG und als Assistent in Würzburg und in Berlin tätig. 1997 habilitierte er an der Freien Universität Berlin. Nach Lehrstuhlvertretungen in München (1997/1998) und Konstanz wurde er im Jahre 2000 an die Universität Konstanz auf eine C4-Professur für deutsche Literatur berufen.
Neben der deutschen Literatur des 17. bis 20. Jahrhunderts bilden Medien- und Kulturtheorie sowie Anthropologie seine Forschungsschwerpunkte. Bestens mit historisch-hermeneutischen Verfahren vertraut, berücksichtigt er kritisch die Einflüsse des Poststrukturalismus, der Dekonstruktion und der Systemtheorie als Innovatoren der Geistes- und Kulturwissenschaften. Koschorke ist in seinen Arbeiten interdisziplinär ausgerichtet und stellt damit für die Arbeit der Literaturwissenschaft neue erhellende kulturwissenschaftliche Kontexte her.
Bereits seine Dissertation über die „Geschichte des Horizonts“ als erste Gesamtdarstellung dieses sowohl visuellen, mental-symbolischen wie kognitiven Phänomens gilt als Grundlagenwerk. Mit seiner Habilitation „Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts“ liefert Koschorke eine Darstellung der historischen Konstitution von Körper und Gefühl durch die Schriftmedien des 18. Jahrhunderts, die sich nicht in additiver Weise neben die bereits geleistete Forschung stellt, sondern den Versuch unternimmt, diese Einzelforschungen zu integrieren und auf eine neue theoretische Stufe zu heben. Er untersucht komparatistisch die Diskurse der Medizin, Staatslehre, Ökonomie und Literatur und arbeitet für diese Epoche einen Paradigmawechsel heraus. In seinem neuesten Buch „Die heilige Familie und ihre Folgen. Ein Versuch“ erarbeitet er vor dem Hintergrund psychohistorischer, psychoanalytischer, symbolgeschichtlicher und systemischer Zusammenhänge einen Überblick über die Religions- und Sozialgeschichte der Ehe und Familie und liefert eine Interpretation der Familien-Figuration.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Dr. Achim von Keudell.
Dr. Achim von Keudell, Jahrgang 1965, studierte in München Physik mit den Schwerpunkten Festkörperphysik und Plasmaphysik. 1996 promovierte er in Bayreuth. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching – zunächst als Postdoc, seit 1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Gastaufenthalte führten ihn 1997 für ein Jahr als Visiting Assistent Professor of Research an die University of Illinois at Urbana Champaign (USA) und 2000 in die Niederlande an die Technische Universität Eindhoven.
In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasst sich A. von Keudell mit Wachstumsprozessen von dünnen Schichten, die aus Niedertemperaturplasmen abgeschieden werden. Sie spielen eine bedeutende Rolle als Hartstoffschichten zur Oberflächenvergütung, bei der Vergütung des Plasmagefäßes in der Fusionsforschung und als Silan-Schichten bei Flachbildschirmen. Auf diesem Gebiet, das in Bezug auf die Anwendung weit entwickelt ist, vom Standpunkt der Grundlagenforschung jedoch noch in den Anfängen steckt, hat v. Keudell das komplexe Wechselspiel von ionen-, atom- und radikalinduzierten Plasmaoberflächenreaktionen systematisch analysiert und konnte Konsequenzen von Elementarprozessen für Wachstum und Erosion der Schichten nachweisen.
Ein erster großer Erfolg gelang Herrn v. Keudell mit der Beschreibung des Schichtwachstums einer a-C:H-Schicht auf einem Siliziumsubstrat durch ein kombiniertes Plasma-Oberflächenmodell, bei dem als wichtige Einflussvariable die Substrattemperatur ermittelt wurde. Neuere Experimente mit verbesserten apparativen Möglichkeiten (Teilchenstrahlexperimente) zielten auf den Plasmateil des komplexen Systems – mit ihnen konnten das frühere Substrat basierte Modell entscheidend erweitert werden.
Über die Arbeiten zu Grundlagen der Plasma/Wand-Wechselwirkung hinaus hat Herr v. Keudell durch seine Initiative, Hohlraumdetektoren zur Detektion von relevanten Flüssen in Fusionsexperimenten einzusetzen, einen entscheidenden Durchbruch erreicht. Erstmals konnte die Abscheidung von Schichten auf plasmafernen Oberflächen verstanden werden. A. von Keudells Forschungen stoßen auf breite internationale Beachtung und Anerkennung. Davon zeugen nicht zuletzt die hohen Zitierungszahlen seiner Publikationen und die eingeladenen Vorträge.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Axel Meyer.
Professor Dr. Axel Meyer, geboren 1960, studierte Biologie und Zoologie zunächst an den Universitäten Marburg und Kiel, später in den USA in Miami, Berkeley und Harvard (1988 Ph.D. am Department of Zoology, University of Berkeley). Sein beruflicher Weg führte Professor Meyer über die University of California at Berkeley (Postdoc), die University New York at Stony Brook (Assistant und Associate Professor) weiter an die Stanford University (Visiting Professor). 1997 wurde er auf den Lehrstuhl für Zoologie/Evolutionsbiologie der Fakultät Biologie der Universität Konstanz berufen.
Das Interesse von Herrn Meyer gilt der Evolutionsbiologie und insbesondere dem Ursprung morphologischer und genetischer Vielfalt. Hervorzuheben sind Untersuchungen zur Artenbildung bei Buntbarschen. Dort konnte er u.a. zeigen, dass der gesamte Buntbarschartenschwarm von fast 500 Arten des Victoriasees sich auf eine einzige anzestrale Linie zurückführen lässt und diese Arten in weniger als 200.000 Jahren entstanden sind. Einen zweiten Schwerpunkt bilden Untersuchungen zur Evolution der Landwirbeltiere. Mit Hilfe der modernen Methode der Phylogenie-Rekonstruktion konnte Professor Meyer auf der Basis sehr umfangreicher molekularer Datensätze - u.a. von Lungenfischen, Walen und Schildkröten - unerwartete Nachweise von Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Fischen und Landwirbeltieren, ihrer morphologischen Unterschiedlichkeiten und ihrer genetischen Entwicklung führen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Franz-Ulrich Hartl.
Professor Dr. Franz-Ulrich Hartl, geboren 1957, studierte Medizin an der Universität Heidelberg, wo er am Institut für Biochemie 1985 zum Dr. med. promoviert wurde. 1990 habilitierte er am Institut für Physiologische Chemie der Universität München. Beruflich führte ihn sein Weg über die Universität München, das Sloan-Kettering Institute (New York), die Cornell University (New York), das Howard Hughes Medical Institute zum Max-Planck-Institut für Biochemie (Martinsried), wo er 1997 zum Direktor berufen wurde.
Professor Hartl hat in den vergangenen Jahren entscheidende Beiträge geleistet zur Faltung von Proteinen, die durch Hitzeschockproteine (Chaperone) und Chaperonine unterstützt bzw. katalysiert wird. Die Faltung der linearen Polypeptidketten in funktionsfähige, native Proteine ist eines der faszinierenden Gebiete in der Molekularbiologie. Sie wird unterstützt durch Hitzeschockproteine, die in den Zellen unter äußerem Stress vermehrt produziert werden. In Form der bakteriellen Hsp70 Chaperone DnaK und DnaJ bilden sie neben dem Nukleotid-Austauschfaktor GrpE eine Familie von hochkonservierten ATPasen. Professor Hartl konnte zeigen, wie sich diese Proteine, die unter ATP-Verbrauch arbeiten, zusammenfinden und die wachsende Polypeptidkette während der Translation komplexieren, um sie vor falscher Faltung und Aggregation zu bewahren und in eine funktionell kompetente dreidimensionale Struktur zu überführen.
Es ist das Verdienst von Professor Hartl, dass er mit einer Vielzahl von sehr eleganten genetischen, molekularbiologischen und biochemischen Studien, die in den letzten Jahren durch Zusammenarbeit mit Kristallographen strukturell unterstützt wurden, aufzeigen konnte, wie die Abläufe dieser sehr komplexen Vorgänge im Detail aussehen.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Professor Dr. Thomas Kaufmann.
Prof. Dr. Thomas Kaufmann, geboren 1962 in Cuxhaven, studierte Evangelische Theologie an den Universitäten Münster, Tübingen und Göttingen. 1990 wurde er in Göttingen promoviert und 1994 auch dort habilitiert. Seit 1996 ist er Professor für Kirchengeschichte an der Universität München.
Professor Kaufmann hat ein für sein Alter außerordentlich breites Œuvre vorzuweisen, das neben den umfangreichen Monographien zur Abendmahlstheologie der Straßburger Variante der deutschen Reformation bzw. zu den Theologieprofessoren der Universität Rostock im konfessionellen Zeitalter Studien zur lutherischen Konfessionskultur und zur Historiographie seines Faches im 20. Jahrhundert aufweist. In der Monographie über die Universität Rostock und die lutherische Konfessionalisierung greift Professor Kaufmann kongenial Forschungsansätze der Nachbarwissenschaften auf, wendet sie produktiv auf Fragestellungen der Kirchengeschichte an und verbindet Landes-, Kirchen-, Universal und allgemeine Geistesgeschichte zu einer eindringlichen Studie. Das Buch leistet von der Theologie her sowohl einen eigenständigen, gerade auch methodisch-theoretisch weiterführenden Beitrag zur sogenannten Konfessionalisierungsdebatte, die seit gut zehn Jahren vor allem in der deutschen und europäischen Geschichtswissenschaft geführt wird, als auch für die vor allem von Amerika geprägte Forschungsrichtung, die die Reformation als sozialen Kommunikationsprozess neu zu deuten versucht.
Professor Kaufmann legt am Beispiel der Universität Rostock und Mecklenburgs dar, wie dieser Bereich Deutschland, in gewisser Weise auch Europa in der werdenden Neuzeit religiös, theologisch und kulturell aber auch politisch und gesellschaftlich mitgeprägt hat, was aus bekannten Gründen im letzten dreiviertel Jahrhundert kaum mehr Beachtung fand.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhält
Dr. David Vokrouhlický.
Dr. David Vokrouhlický wurde am 7. Mai 1966 in der Tschechoslowakei geboren. Er studierte von 1984 bis 1992 an der Mathematisch-Physikalischen Fakultät der Karls-Universität in Prag mit dem Schwerpunkt Astronomie. Seit der Promotion 1992 ist er als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Astronomie der genannten Fakultät – unterbrochen von einem Forschungsaufenthalt in Frankreich – tätig.
Er erhält den Akademiepreis 1997, da er weltweit zu den besten Astrophysikern seiner Altersklasse, die auf dem Gebiet der Gravitation forschen, gehört und weil er gemessen an seinem Alter auf eine beeindruckende Zahl von fast 50 Veröffentlichungen in referierten Fachzeitschriften verweisen kann.
Seine Arbeiten überzeugen durch Tiefe, Originalität, Relevanz ihrer Ergebnisse bei einer erstaunlichen Breite von Themen. Sie befassen sich u. a. mit der Berechnung der Bewegungen von Sternen um massereiche Schwarze Löcher, der Bestimmung – durch Satellitenexperimente – der Bewegung der Körper des Sonnensystems und der Berechnung von Störeffekten, denen Satelliten durch Einwirkungen der Sonne und der Erdatmosphäre ausgesetzt sind.
Den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erhalten zu gleichen Teilen
Dr. rer. nat. Marius Grundmann und Dr. rer. nat. Richard Nötzel.
Dr. Grundmann und Dr. Nötzel arbeiten auf dem Gebiet der Herstellung und Charakterisierung von Halbleiterstrukturen mit begrenzten Dimensionen, die für mögliche Anwendungen in der Mikroelektronik von großem Interesse sind.
Dr. Marius Grundmann, geb. 1964 in Berlin, hat von 1983 bis 1988 an der Technischen Universität Berlin Physik studiert. Seine anschließende Promotion wurde von der Studenstiftung des Deutschen Volkes gefördert. 1991 wurde er summa cum laude zum Dr. rer. nat. promoviert, für seine Promotionsarbeit erhielt er den Carl-Ramsauer-Preis der AEG/Daimler Benz AG. Seit 1994 ist er als Oberingenieur mit Lehrtätigkeit am Institut für Festkörperphysik der TU Berlin tätig. Marius Grundmann hat beeindruckende Ergebnisse bei de Erforschung von Quantenstrukturen erzielt. Er kann insbesondere auf Erfolge bei der Erzeugung und Charakterisierung sogenannter Quantendrähte und -punkte verweisen. Die Ergebnisse hat er in einer großen Zahl von Publikationen vorgestellt, die ihm hohe internationale Anerkennung eingebracht haben.
Dr. Richard Nötzel, geb. 1963 in München, hat von 1982 bis 1987 an der Technischen Universität München Physik studiert und wurde Ende 1992 an der Universität Stuttgart zum Dr. rer. nat. promoviert. Seine Dissertation wurde mit der Otto-Hahn-Medaille der MPG ausgezeichnet. Er hatte ein neues Prinzip der kristallographischen Darstellung von Halbleiterkristallen mit extrem kleinen Abmessungen entdeckt und damit eine inzwischen weltweit nachvollzogene Herstellungstechnik begründet. Während seines anschließenden Aufenthaltes an einem der angesehensten Forschungsinstitute (NTT) in Japan wurde ihm der Forschungspreis der NTT-Optoelectronics Laboratories zuerkannt. 1995 kehrte er von einer Professur aus Hokkaido nach Berlin zurück und arbeitet seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik in Berlin. Seine besonderen Verdienste liegen auf den Gebiet der Kristallzüchtung mit Molekularstrahl-Epitaxie.