Als am 10. September 1952 die Bundesrepublik Deutschland, der Staat Israel und die Conference on Jewish Material Claims Against Germany ein erstes Wiedergutmachungsabkommen unterzeichneten, galt dies als ein historischer Moment. In offiziellen Publikationen beider Seiten wurde das Abkommen als in der Geschichte der internationalen Beziehungen beispiellose Unternehmung von ungeheurer Tragweite dargestellt. Das Abkommen sollte eine zentrale Rolle für die Aufarbeitung der unsagbaren nationalsozialistischen Verbrechen spielen und diente als Präzedenzfall für die ganze Welt: Die Warnung, dass Völkermord und NS-Terror sowie die hieraus erwachsene Schuld und Verantwortung spürbare und durchsetzbare Folgen haben würden, war nun mehr als ein bloßer moralischer Appell. Dass es überhaupt zu Verhandlungen und zu einer Einigung kam, war ein entscheidender erster Schritt auf einem bis heute nicht abgeschlossenen Weg: Zwar können die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht „wiedergutgemacht“ werden, das Luxemburger Abkommen und die nach ihm möglich gewordenen, konkreten Regelungen zur Entschädigung zeigen jedoch, dass die Bemühungen zum Wohle der Opfer als eine gemeinsame Aufgabe begriffen wurden.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Ratifizierung des Luxemburger Abkommens im März 1953 werden wir im Rahmen einer internationalen und interdisziplinären Tagung über die Bedeutung dieses Beschlusses nachdenken und seine weiterreichenden Auswirkungen sowohl auf das Holocaust-Gedenken als auch auf die Art und Weise, wie moderne Gesellschaften mit ihrer ungewollten Vergangenheit umgehen, diskutieren. Die Quellen über die Verhandlungen selbst, aber auch über die Umsetzung bis in einzelne Entschädigungsverfahren bieten dafür umfangreiches und vielfältiges Material. In ihnen begegnen wir immer wieder auch dem Unterschied zwischen unseren Vorstellungen und Erinnerungen und den konkreten Vorgängen – durchaus auch mit unerwarteten Einsichten.
Die Veranstaltung wurde konzipiert von Dörte Schmidt, Gideon Reuveni und Matthias Pasdzierny und ist eine Kooperation des Zentrums Preußen – Berlin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit dem Bundesministerium der Finanzen , dem Weidenfeld Institute of Jewish Studies der University of Sussex , der Forschungsstelle Exil und Nachkriegskultur an der Universität der Künste Berlin und dem Freundeskreis Yad Vashem Deutschland e.V.
PROGRAMM
Wissenschaftliche Dialoge ab 15 Uhr
Moderation: Shelly Kupferberg
Begrüßung
- Christoph Markschies (Akademiepräsident)
Einführung
- Gideon Reuveni (Weidenfeld Institute of Jewish Studies, University of Sussex) und Dörte Schmidt (Zentrum Preußen-Berlin)
Dialog I: Evidenzproduktion zwischen Museum, Archiv und Behörde
- Mirjam Wenzel (Jüdisches Museum Frankfurt) und Michael Hollmann (Bundesarchiv)
Dialog II: Symbolische und politische Dimensionen bürokratischer Kommunikation
- Nicole Immler (Universität Utrecht) und José Brunner (Universität Tel Aviv)
Dialog III: Globale Perspektiven - lokale Aushandlungsprozesse
- Bénédicte Savoy (Technische Universität Berlin) und Friedemann Pestel (Universität Freiburg | University of California, Berkeley)
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Roundtable ab 19.30 Uhr
Moderation: Shelly Kupferberg
Begrüßung
- Christoph Markschies (Akademiepräsident)
- Ruth Ur (Freundeskreises Yad Vashem e.V.)
Märchentraum (Kurt Lewinnek)
Irgendwo auf der Welt (Werner R. Heymann)
Podiumsgespräch: Diplomatie, Bürokratie und individuelle Biographie
- Amy Gutmann (Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika) und Shimon Stein (Botschafter a.D.) im Gespräch mit Gideon Reuveni und Dörte Schmidt
Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt (Friedrich Hollaender)
On Green Dolphin Street (Bronislaw Kaper)
Den musikalischen Rahmen bilden Musikstücke, die Entschädigungsanträgen beigelegt worden sind. Es musizieren Marc Secara (Gesang), Jonas Schoen (Saxophon) und Johannes von Ballestrem (Piano).