In der Auseinandersetzung mit dem erschütternden Ereignis des Ersten Weltkrieges und der zunehmenden Zerfaserung in der Welt der Moderne befragte Martin Buber die philosophische und theologische Tradition erneut nach den Grundlagen des Zwischenmenschlichen und entwickelte das Konzept der Dialogischen Philosophie, das er 1923 mit der Veröffentlichung seiner Schrift Ich und Du in die Wissenschaft einführte.
Im Zentrum von Bubers Konzeption, die vom Ich des Einzelnen ausgeht, steht die Anerkennung der anderen Person als Gegenüber und als unmittelbares Du. Von dieser ontologischen wie individualgeschichtlichen Zentralstellung des „Du“ ausgehend reformulierte Martin Buber auch seine Philosophie der jüdischen Religion als steten Dialog mit dem als ewiges Du vorgestellten Gott.
In den folgenden Jahren nach dem Erscheinen von Ich und Du arbeitete Buber die Idee des Dialogs in zahlreichen Aufsätzen und Büchern aus und wandte sie darin auf die unterschiedlichsten Disziplinen an, darunter Bibelwissenschaft, Hermeneutik, Literaturkritik, Pädagogik, Philosophie, Politik, Psychologie, Religionswissenschaft, Religionsphilosophie, Theater(-theorie), Kunstgeschichte, Übersetzungstheorie und Gesellschaftspolitik.
Wissenschaftler aus den Bereichen der Geistes- und Kulturgeschichte verzeichnen für die letzten Jahrzehnte ein wachsendes Interesse an den verschiedensten Formen von Dialogischem Denken. Aktuelle theoretische Debatten in unterschiedlichen Disziplinen zeugen – oftmals einzig im Namen – von einem wachsenden Stellenwert des Dialogischen Denkens. Wie diese Debatten zeigen, genießt die Dialogik eine beherrschende Relevanz in der Philosophie und kritischen Theorie, aber auch im weiten Bereich von Literatur, Kultur und Sozialwissenschaften sowie in den Rechtswissenschaften, der Religionswissenschaft und der Theologie.
Die Tagung findet in deutscher und englischer Sprache statt und wird gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung sowie das Franz Rosenzweig Minerva Forschungszentrum der Hebräischen Universität Jerusalem.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
PROGRAMM
Mittwoch, 16. Juli 2008
10.00 Uhr
Begrüßung und Moderation : Peter Schäfer, Princeton / Berlin
10.15 Uhr
Paul Mendes-Flohr, Jerusalem / Chicago
Dialogue as a Trans-Disciplinary Concept
10.45 Uhr
Julia Matveev, Haifa
From Buber’s "I and Thou" to Bakhtin’s “Polyphonic Dialogue”
– Kaffeepause –
12.00 Uhr
Jeffrey Barash, Amiens
Politik und Judentum in der Debatte zwischen Hermann Cohen und Martin Buber
– Mittagspause –
14.30 Uhr
Moderation: Martina Urban, Nashville
Ran Hacohen, Tel Aviv
Wege des Dialogs in Bubers "Gog und Magog"
– Kaffeepause –
15.30 Uhr
Irene Kajon, Rom
‚Religio’ Today: The Concept of Religion in Martin Buber’s Thought
16.00 Uhr
Karl-Josef Kuschel, Tübingen
Bubers Dialog mit dem Christentum
– Ende des Nachmittagsprogramms: ca. 17.00 Uhr –
19.00 Uhr
Moderation: Paul Mendes-Flohr, Jerusalem/Chicago
Volker Gerhardt
Grußwort der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
19.15 Uhr
John Bunzl, Wien
Spiegelbilder: Wahrnehmung und Interesse im Konflikt Israel / Palästina
Donnerstag, 17. Juli 2008
10.00 Uhr
Moderation: Aleida Assmann, Konstanz
Yoram Bilu, Jerusalem
Reflections on Dialogical Anthropology
10.30 Uhr
Andreas Kraft, Konstanz
Jüdische Identität im Liminalen und das dialogische Prinzip bei Martin Buber
– Kaffeepause –
11.45 Uhr
Henry Abramovitch, Tel Aviv
The Impact of Martin Buber’s Philosophy of Dialogue on Psychotherapy: A Lasting Contribution
12.15 Uhr
Alan J. Flashman, Beersheva
Almost Buber: Buber's Complex Influence on Family Systems Therapy
– Mittagspause –
14.30 Uhr
Moderation: Paul Mendes-Flohr, Jerusalem / Chicago
Aleida Assmann, Konstanz
Dialogisches Erinnern
15.00 Uhr
Mohammad Abu Zaid, Ramallah
„Ein Land und zwei Völker“ – Buber und die jüdisch-arabische Frage heute. Einige Überlegungen
– Ende der Tagung ca. 16.00 Uhr –
16.7., 10.00 Uhr - 17.7., 16 .00 Uhr