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Tag der Geisteswissenschaften
12. November 2004
Zur Natur- und Gesellschaftsgeschichte des Todes
Die Berlin-Brandenburgische Akademie führt am 12. November 2004 zum dritten Mal einen Tag der Geisteswissenschaften durch, bei dem alljährlich ein Wissenschaft wie Öffentlichkeit gleichermaßen tangierendes Thema aufgegriffen wird. In diesem Jahr steht eines der großen Themen der Menschheit - der Tod - im Zentrum der Veranstaltung. Im interdisziplinären Gespräch zwischen Geistes- und Naturwissenschaften sowie unter Einbeziehung von Literatur und Kunst werden insbesondere die Rolle des Opfertodes und die Fragen nach Sterblichkeit und Unsterblichkeit in Natur und Gesellschaft erörtert.
Veranstaltungsort: Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Eingang Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin.
Der Eintritt ist frei.
Kontakt:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstraße 22/23 10117 Berlin
Tel. +49 (0) 30 203 70 - 0 Fax -600
bbaw@bbaw.de www.bbaw.de
9.00 Begrüßung
Dieter Simon, Präsident der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften
9.15 "Traum vom Tod. Erfahrung des Todes im Gegenwartsfilm"
Elisabeth Bronfen, Universität Zürich
10.45 Sterblichkeit - Unsterblichkeit. Natur und Gesellschaft
Moderation: Horst Bredekamp, Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften / Humboldt-Universität zu Berlin
"Wir sind nicht zum Sterben auf der Welt - Der Tod im Bereich der Evolution"
Ernst Peter Fischer, Universität Konstanz
In der Biologie macht keine Erklärung Sinn, die sich nicht in den Rahmen fügt, der durch den Gedanken der Evolution vorgegeben ist. Wer mit ihm argumentiert, fragt nach der Lebensfähigkeit unter äußeren Bedingungen und nach der Reproduktionsrate. Er fragt also nach Sexualität und Zeugung und nicht nach dem Tod, wenn man damit - in den Worten von Albert Einstein - das natürliche Absegeln meint und nicht an das Ergebnis eines verlorenen Überlebenskampfes denkt. Scheinbar problemlos leuchtet der Gedanke ein, daß Sterben zum Leben gehört, weil nachfolgende Generationen Platz benötigen. Doch da eine wissenschaftliche Einsicht dem gesunden Menschenverstand widerspricht, müssen wir die Antwort nach der Verbindung zwischen dem Tod und der Evolution an anderer Stelle suchen. Dies wird in dem Vortrag unternommen.
"Bild und Gegenbild des Lebens: der Tod im Wissen und Zweifeln der pharaonischen Kultur"
Stephan Seidlmayer, Akademienvorhaben "Altägyptisches Wörterbuch",
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften / Freie Universität Berlin
Das Alte Ägypten scheint seinen Frieden mit dem Tod gemacht zu haben. In Bildern und Texten ist detailliert eine imaginäre Welt der Toten gestaltet.
In diesem Schatz des Wissens über den Tod sind jedoch tiefe Widersprüche und Zweifel unübersehbar. Neben Visionen der Seligkeit klaffen Abgründe grauenvoller Ängste. Aufgabe der rituellen Fürsorge um Tod und Sterben war es denn auch, äußerste Risken zu beherrschen. Vielleicht noch signifikanter als die Hoffnungen auf eine Existenz nach dem Tod reflektieren diese Zweifel und Sorgen im Angesicht des Todes jedoch Grundstrukturen der altägyptischen Lebenswirklichkeit - ihre Spannungen nämlich und ungelösten Konflikte.
"Nach dem Leben. Totenmasken, Funeraleffigien und Wachsfigurenkabinette"
Uta Kornmeier, Oxford University
Von allen künstlerischen Darstellungen des Menschen schweben die Wachsfiguren wohl am deutlichsten zwischen Leben und Tod: Sie sehen dem Leben zum Verwechseln ähnlich, bleiben aber leblose Kunst-Körper. In der Antike und im Mittelalter spielten Wachsbildnisse daher bei Bestattungsriten eine große Rolle. In der Neuzeit waren sie vor allem wegen ihrer Eigenschaft der Vergegenwärtigung von noch lebenden Persönlichkeiten beliebt. Doch die Nähe zu den Toten können die Wachsbilder nie ganz abschütteln, in Madame Tussaud's Chamber of Horrors sieht man noch heute die abgeschlagenen Köpfe der Protagonisten der Französischen Revolution.
15.00 Der Opfertod
Moderation: Christoph Markschies, Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften / Humboldt-Universität zu Berlin
"Zum Bedeutungswandel der Begriffe des Opfers und des Opfertodes im 20. Jahrhundert"
Thomas Macho, Humboldt-Universität zu Berlin
Ausgehend von der Doppeldeutigkeit des Opferbegriffs - zwischen "sacrifice" und "victim" - werden die Transformationen der politischen Opferrhetorik im 20. Jahrhundert genauer untersucht. Im Zentrum der Überlegungen soll die These Herfried Münklers stehen, wonach der Opferbegriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs) negativ abgewertet wurde. Dabei soll vorrangig gefragt werden, inwiefern sich dieser Abwertungsprozess auch in den Opfertheorien manifestiert hat - oder ob die Opfertheorien (beispielsweise René Girards) vielmehr eine Art von Resakralisierung des Opferbegriffs anstreben.
"Grimmiger Tilger - wo ist dein Stachel? Der Tod im europäischen Mittelalter"
Martin Schubert, Akademienvorhaben "Deutsche Texte des Mittelalters", Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Die Beschäftigung mit dem Tod ist im Mittelalter intensiv: der kulturhistorische Rückblick führt über Totentänze, apokalyptische Weltendevorstellungen bis hin zu Handbüchern wie der verbreiteten "Ars bene moriendi" (Kunst des guten Sterbens). Im Durchgang durch die literarischen, theologischen, eschatologischen Diskurse, in der Analyse der Darstellungen von Heldentod, Märtyrertum, Totenklage und Auflehnung gegen den Tod wird die Alterität mittelalterlichen Denkens greifbar - damit auch Nutzen oder Nachteil der modernen Auseinandersetzung mit dem Tod.
"Opfertod als 'Schöner Tod'? Altgriechische Perspektiven"
Walter Burkert, Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften / Prof. em. Universität Zürich
Die inakzeptable Machtlosigkeit angesichts des Todes kann durch gesteigerte Aktivität überspielt werden: Den Tod 'machbar' zu machen, gibt es das Opfer, sacrificium, Wirken des Heiligen gerade in aktiven Tötungsritualen.
Griechische Tragödien steigern die Todes-Bewältigung zum Menschenopfer, eingespannt zwischen undurchschaubaren Götterwillen und 'freie' Entschlußkraft. Der Tod im Krieg wird als 'schön' benannt und entsprechend ausgestaltet. Besonders packend erscheint die Chance, den eigenen Tod in den eigenen Willen aufzunehmen. Vorbild ist Achilleus in der Homerischen Ilias, mit dem sogar der sterbende Sokrates in eigentümlicher Weise sich identifizieren kann. Trostlose Todes-Konfrontation gestaltet demgegenüber das Gilgamesh-Epos.
19.00 "Der eigene Tod"
Péter Nádas liest aus seinem gleichnamigen Buch
Der ungarische Schriftsteller erzählt, wie ihn auf offener Straße ein Herzinfarkt in den Griff nahm und über den schmalen Grat führte, hinter dem der Tod beginnt. Nach dreieinhalb Minuten ins Leben zurückgeholt, schildert der Dichter minutiös die Wahrnehmungen eines Grenzgängers, den Schmerz wie die kuriosen Begebenheiten am Rand - eine Erzählung von Ungeheuerlichem und zugleich Alltäglichem. Der Rasanz dieser Erfahrung setzt der Fotograf Péter Nádas eine Serie von Bildern entgegen, in denen die Zeit kaum zu vergehen scheint.
"Der Tod - Grenze oder Macht"
Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz
21.00 Ausklang der Veranstaltung bei Wein & Brezeln
9.00 Uhr