Deutschland und Japan können im Bereich von Wissenschaft und Forschung auf eine lange Geschichte gemeinsamer Beziehungen und wechselseitiger Einflüsse zurückblicken. Diese Geschichte ist in eine Reihe parallel verlaufender Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingebettet. Genannt werden in diesem Zusammenhang meistens die Nationalstaatsbildung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, die im Vergleich zu England oder Frankreich später einsetzende Industrialisierung, eine imperialistische Weltpolitik um 1900, das Aufkommen faschistischer bzw. autoritär-militaristischer Systeme in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sowie deren Zusammenbruch 1945, die Erfahrung der Besatzung und der dann folgende wirtschaftliche Wiederaufbau, welcher die Bundesrepublik Deutschland und Japan seit Mitte der 60er Jahre in den Kreis der führenden Industrienationen eintreten ließ.
Bei der Bewertung der deutsch-japanischen Wissenschaftsbeziehungen wird in der Regel davon ausgegangen, dass diese lange von deutscher Seite dominiert wurden; man verweist in diesem Kontext auf den Einfluss des deutschen Staatsrechts auf die japanische Verfassung von 1889, das Wirken deutscher Mediziner im Japan der Meiji-Zeit oder auf den Wissenschafts- und Technologietransfer in den 20er Jahren. Darüber hinaus wird häufig betont, wie gut es um die deutsch-japanischen Wissenschaftsbeziehungen bestellt sei. Beide Annahmen bedürfen heute – insbesondere mit Blick auf die innovativen Leistungen der japanischen Natur- und Ingenieurwissenschaften und das abnehmende Interesse an Deutschland – einer kritischen Überprüfung. Die Veranstaltung will dazu einen Beitrag leisten.
Ziel des Symposiums ist es, einer breiteren Öffentlichkeit vorzuführen, dass die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan in Geschichte und Gegenwart durch ein wechselseitiges, bisweilen fragiles Verhältnis charakterisiert sind, abhängig von der jeweiligen Epoche und den wissenschaftlichen Disziplinen, auf die man blickt. Am Beispiel ausgewählter Wissenschaftsbereiche soll thematisiert werden, wo gegenwärtig und zukünftig Chancen für eine intensivere Zusammenarbeit beider Länder liegen könnten.
Programm:
10.00 Uhr
Günter Stock (Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften)
Hiromi Satō (Stellvertretende Generalsekretärin des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin)
Grußworte
10.15 Uhr
Wolfgang Schwentker (Osaka University)
Einführung
Kaffeepause
11.00 Uhr
Moderation: Ken’ichi Mishima (Tokyo University of Economics)
Wolfgang Seifert (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
Die Ausstrahlung der deutschen Universität auf die japanische Wissenschaft am Beispiel Heidelbergs und Berlins
Tōru Takenaka (Osaka University)
Die Domestizierung fremder Musik. Zur Entstehung der Musikästhetik im modernen Japan
Mittagspause
14.00 Uhr
Moderation: Irmela Hijiya-Kirschnereit (Gründungsmitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften/ Freie Universität Berlin)
Hoi-Eun Kim (Texas A&M University)
Physicians on the Move: German Physicians, Medical Science, and German “Soft Power” in Meiji Japan, 1868-191
Sven Saaler (The University of Tokyo)
Der japanisch-deutsche Wissenschaftsaustausch, 1910-1940
16.00 Uhr
Moderation: Wolfgang Schwentker (Osaka University)
Uwe Dorka (Universität Kassel)
Erdbebensicherung durch Schlangentanz: Warum auch in Deutschland mehr Pagoden (oder ihre Verwandten) gebaut werden sollten
Shingo Shimada (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
Transnationale Sozialforschung. Zur Soziologie des Alters in Zeiten demographischen Wandels
Shōko Suzuki (Kyoto University/ Science Council of Japan)
Die Zukunft verhandeln: Risikoforschung und Bioethik – Was können Japan und Deutschland voneinander lernen?
Vorträge teilweise in englischer Sprache.
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
10.00 Uhr