Die Gegenwart des Mittelalters ist vielgestaltig. Sie ist dinglich evident, wenn wir es mit „Überresten“ (im Sinn von J. G. Droysen) zu tun haben. Anders erscheint sie in der Form jenes epochal begrenzten Jahrtausends, das man seit den Humanisten des 15. Jahrhunderts als das „medium aevum“ zwischen Antike und Neuzeit begreift und das traditionellerweise dem Fach Mediävistik zugrunde liegt. Und sie erscheint noch einmal anders, wenn ‚Mittelalter’ als eine epochale Sinnzuweisung der Moderne verstanden wird, als das Produkt kultureller Inanspruchnahme in der Moderne. Alle diese Formen der Gegenwart des Mittelalters konstituieren Mittelalterforschung in jeweils verschiedenen Ausrichtungen und Dimensionen – freilich nicht im Sinne einer kontinuierlichen Fortschrittsgeschichte. Otto Gerhard Oexle wird die verschiedenen Formen vorstellen und insbesondere auf vernachlässigte Aspekte der Mittelalterforschung eingehen.
Otto Gerhard Oexle (*1939) war bis 2004 Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte und Honorarprofessor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen. Letzte Buchpublikation: Die Wirklichkeit und das Wissen. Mittelalterforschung – Historische Kulturwissenschaft – Geschichte und Theorie der historischen Erkenntnis, Göttingen 2011.
Das Mittelalterzentrum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften lädt zu seinem ersten Jahresvortrag ein. Das Zentrum wurde Ende 2011 gegründet und repräsentiert die mit dem Mittelalter befassten Akademienvorhaben. Es veranstaltet Workshops, Tagungen und Vorträge, um allen am Mittelalter interessierten Laien und Experten in Berlin und Brandenburg ein neues Forum zur Auseinandersetzung mit aktuellen Ergebnissen, Thesen und Tendenzen aller betreffenden Fächer zu bieten.