Was sagt die Evolutionsbiologie darüber aus, wie wir Sympathie und Empathie verteilen, wann wir ein schlechtes Gewissen, Scham, Schuld oder Dankbarkeit empfinden, weshalb wir überhaupt moralische Urteile fällen, weshalb wir so sehr nach Anerkennung und Konformität streben und soviel Zeit mit dem Tratschen über andere verbringen? Welche solcher moralischen Emotionen lassen sich zumindest in Ansätzen bei unseren tierlichen Verwandten wiederfinden?
Ziel der Vorlesungsreihe „Evolution von Moral“ ist es, unseren Blick für den Eigennutz in unseren moralischen Handlungen zu schärfen, und so einige geläufige Ansichten über die Natur des Menschen zu hinterfragen. Eine solche Form der Selbstkritik ist weit entfernt von einem „naturalistischen Fehlschluss“. Anstatt den status quo als „natürlich“ zu rechfertigen, entlarvt der evolutionär geschärfte Blick so manche unreflektierte Einstellung und moralische Überheblichkeit als fragwürdig.
Im dritten und letzten Teil der Akademievorlesungsreihe "Evolution von Moral", die von der Jungen Akademie im Rahmen des Jahresthemas 2009|2010 "Evolution in Natur, Technik und Kultur" veranstaltet wird, stellen Eckart Voland und Gerhard Ernst Überlegungen zu einer naturalistischen Ethik an.
NATURALISTISCHE ETHIK OHNE NATURALISTISCHEN FEHLSCHLUSS?
Eckart Voland
Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Ethik, Universität Gießen
Angesichts von Wissenstatbeständen aus der Kognitiven Ethologie, der Neurobiologie und der Entwicklungspsychologie, die Moral entgegen der Kant/Kohlberg-Tradition nicht im Bereich des affektfreien, bewusst-rationalen Denkens ansiedeln, sondern hinter moralischem Handeln und Denken biologisch evolvierte automatisierte Prozesse diagnostizieren, werde ich die Position zu verteidigen versuchen, in der Evolutionären Ethik die Trennung zwischen Fakten und Normen einzuebnen. Moralische Subjekte unterliegen faktisch (und nicht etwa normativ) ihren moralischen Intuitionen. Diese gehören als neuronale Prozesse zur Natur des Menschen und können deshalb nicht Gegenstand der Frage nach normativer Geltung sein. Die Debatte um den naturalistischen Fehlschluss läuft damit ins Leere.
Wissenschaft und Ethik: Über eine versteckte Gemeinsamkeit
Gerhard Ernst
Universität Stuttgart
Viele Philosophen stellen sich die Frage, ob und wie (moralische) Werte einen Platz in der von der Naturwissenschaft beschriebenen Welt finden können. Manche sehen eine sehr enge Verbindung zwischen Ethik und Naturwissenschaft, andere vermuten hier schnell einen naturalistischen Fehlschluss. In diesem Vortrag wird es zum einen darum gehen, gegen eine zu einfache Verbindung zwischen normativem und wissenschaftlichem Weltbild zu argumentieren, wie sie häufig in Ansätzen der evolutionären Ethik angenommen wird. Zum anderen soll jedoch auch der Versuch unternommen werden, eine zwar abstrakte, jedoch grundlegende Verbindung zwischen Ethik und Wissenschaft aufzuzeigen.
Im Anschluss an die Vorträge findet eine Podiumsdiskussion mit den Referenten statt.
Moderator:
Wolfgang Forstmeier
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Mitglied der Jungen Akademie