Die Predigten des ersten christlichen Universalgelehrten Origenes (ca. 185–254 n.Chr.) sind fast ausschließlich in lateinischer Übersetzung überliefert, meist erheblich gekürzt und bearbeitet. Vor kurzem gelang Marina Molin Pradel in der Münchner griechischen Handschrift 314 bei der Neukatologisierung der griechischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek die sensationelle Entdeckung der griechischen Originaltexte von vier Homilien zu Psalm 36(37), die bislang nur in der lateinischen Übertragung des Rufinus von Aquileia bekannt waren. Lorenzo Perrone hat inzwischen auch die restlichen der insgesamt 29 Homilien aufgrund innerer und äußerer Kriterien (Katenenfragmente, Stilkritik, thematische Übereinstimmungen) dem großen alexandrinischen Bibelwissenschaftler zugewiesen.
Die neuen Psalmen-Homilien erlauben nicht nur einen neuen Zugang zur Psalmen-Exegese des Origenes, ein außerordentlich wichtiges Kapitel in seiner Bibelauslegung, sondern auch zu seiner Persönlichkeit und seiner Zeit. Ihr Autor verteidigt sich gegen alle Kritik, die seine allegorische Interpretation der Schrift hervorgerufen hatte. Er tut dies im Dialog, wobei seine didaktische Begabung besonders gut zur Geltung kommt.
Lorenzo Perrone ist Professor für Frühchristliche Literatur an der Fakultät für Altertumswissenschaften der Universität Bologna. Ursprünglich lag sein Forschungsinteresse auf der Geschichte des Heiligen Landes in der Spätantike mit einem Schwerpunkt auf den dogmatischen Streitigkeiten des 5. und 6. Jahrhunderts sowie der Entwicklung des Mönchtums im byzantinischen Palästina. Während der letzten zwei Jahrzehnte hat er hauptsächlich zu Origenes und der griechischen patristischen Literatur geforscht, insbesondere im Hinblick auf die literarischen Gattungen der Erotapokriseis und biblischer Kommentare.
Begrüßung
Christoph Markschies
Vizepräsident der Akademie
Origines alt und neu
Die Psalmenhomilien in der neuentdeckten Münchner Handschrift
Lorenzo Perrone
Universität Bologna