Goethe war für Nietzsche zeitlebens der größte deutsche Dichter. Dabei unterschied er deutlich zwischen Person und Werk. „Unzeitgemäß“ war Nietzsche dabei insofern, als er dem nachitalienischen, späteren vor dem klassischen Goethe den Vorzug gab und nicht müde wurde, seinen Zeitgenossen Goethes Kritik an den Deutschen vorzuhalten. Am höchsten stellte er Goethes Begegnungen mit Napoleon 1808 als diejenigen zweier „Übermenschen“.
Unter Goethes Werken ist auch bei Nietzsche der „Faust“ das am häufigsten zitierte, unter eindeutiger Bevorzugung des zweiten Teils. Besser als irgendjemand verstand er Goethes Intention hinter der kryptischen Schluss-Szene „Bergschluchten“. Allerdings bezog er gerade aus der Parodierung des abschließenden „Chorus Mysticus“ immer aufs Neue, besonders im „Zarathustra“, sprachliche Mittel zur wirkungsvollen Propagierung seiner eigenen Philosophie. So bleibt Nietzsches Goethebild bis zu seinem Zusammenbruch höchst ambivalent.
Einführung
Ernst Osterkamp
Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin
Akademiemitglied
»Hier ist die Aussicht frei, der Geist erhoben«
Nietzsche liest Goethe
Karl Pestalozzi
Em. Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft der Universität Basel