Die verschiedenen Forschungs- und Anwendungsbereiche der Gentechnologie gehören zu den komplexesten der Gegenwart und sind in ihrer Gesamtheit nur schwer zu überblicken. Die Vorlesungsreihe der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gentechnologiebericht“ möchte bedeutende Spannungsfelder sowie Dimensionen aufzeigen, die sich aus der Wissenschafts- und Technologieentwicklung in Bezug auf die Gentechnologie ergeben.
Die erste Veranstaltung der Reihe befasst sich aus naturwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive mit der Synthetischen Biologie, einem in der Öffentlichkeit noch relativ unbekanntem neuem Forschungsfeld, welches sich im Querschnittsbereich verschiedener Disziplinen entwickelt. Da die Grenzen zu herkömmlichen gentechnischen und biotechnologischen Verfahren fließend sind, ist derzeit noch umstritten, wie Synthetische Biologie genau zu definieren ist und ob sie wirklich neue ethische und regulatorische Fragen aufwirft. Trotz dieser Unsicherheiten ist die Synthetische Biologie mit hohen Erwartungen verbunden. So soll sie nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Entwicklung neuer Therapien und Diagnostika wichtig sein. Außerdem könnte sie zur Entwicklung neuer Materialien, Biosensoren und Biokraftstoffe eingesetzt werden. Bernd Müller-Röber wirft in seinem Vortrag wichtige Fragen auf: Welchen Einfluss haben Visionen und Hype, aber auch Definitionsfragen auf die Entwicklung des Gebietes? Wieso ist es wichtig, ob Synthetische Biologie tatsächlich fundamental neu oder „nur“ eine Weiterentwicklung bekannter Technologien ist? Welche Aufgabe kommt dabei aus Sicht eines Naturwissenschaftlers der Philosophie zu?
Kristian Köchy schaut aus philosophischer Sicht auf die Synthetische Biologie. Diese betrachtet er als ein ‚Forschungsprogramm‘, dessen konkrete fachwissenschaftliche Laborarbeit in theoretischer, technischer oder apparativer Hinsicht immer auch vor dem Hintergrund philosophischer Annahmen und „Denkstile“ stattfindet, in denen sich wissenschaftliche Selbstverständnisse und Normen abzeichnen. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob die Synthetische Biologie über den Bereich der klassischen Gentechnik hinausgeht. Außerdem werden zwei für das Selbstverständnis zentrale neue Leitbilder vorgestellt und analysiert: das des Ingenieurs als Bastlers und Planers, welches mit dem Postulat der Planbarkeit biologischer Abläufe einhergeht, sowie die Idee des technischen Herstellens von Leben.
Gentechnologie im Spannungsfeld von naturwissenschaftlicher Praxis und philosophischen Ideen am Beispiel Synthetische Biologie
Bernd Müller-Röber
Universität Potsdam, Institut für Biochemie und Biologie
Akademiemitglied / IAG Gentechnologiebericht
Kristian Köchy
Universität Kassel, Institut für Philosophie
IAG Gentechnologiebericht
Moderation: Jochen Taupitz
IAG Gentechnologiebericht
Die Vorlesungsreihe der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gentechnologiebericht“ möchte bedeutende Spannungsfelder sowie Dimensionen aufzeigen, die sich aus der Wissenschafts- und Technologieentwicklung in Bezug auf die Gentechnologie ergeben. Die Diskussion dieser Querschnitts-Fragestellungen soll exemplarisch anhand konkreter Anwendungsfelder geschehen. Die Bandbreite der behandelten Themen reicht von der Synthetischen Biologie über neue Verfahren genetischer Diagnostik bis hin zur Genomforschung und führt zu der Frage nach der Rolle wissenschaftlicher Politikberatung im Kontext der Gentechnologie. Dabei werden divergierende disziplinäre Perspektiven miteinander ins Gespräch gebracht und in ihrem gesellschaftlichen Kontext diskutiert. Sichtweisen aus Biologie, Medizin, Philosophie, Soziologie, Technikfolgenabschätzung und Wissenschaftsjournalismus werden integriert.
Weitere Termine:
- Donnerstag, 29. November 2012: Gentechnologie im Spannungsfeld von Technologieentwicklung und Technikfolgenabschätzung am Beispiel next generation sequencing mit Hans-Hilger Ropers (Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin, IAG Gentechnologiebericht/Akademiemitglied), Armin Grunwald und Arnold Sauter (Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), Moderation: Ferdinand Hucho
(Akademiemitglied / IAG Gentechnologiebericht)
- Donnerstag, 6. Dezember 2012, Gentechnologie im Spannungsfeld von Wissenschaft und Öffentlichkeit am Beispiel des Humangenomprojektes mit Hans Peter Peters (Forschungszentrum Jülich, Wissenskommunikation), Ulrich Bahnsen (Wissenschaftsjournalist DIE ZEIT, Hamburg), Moderation: Jürgen Hampel (IAG Gentechnologiebericht)
- Dienstag, 11. Dezember 2012, Gentechnologie im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik am Beispiel wissenschaftlicher Politikberatung mit Jens Reich (Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin, Berlin, Akademiemitglied /IAG Gentechnologiebericht), Peter Weingart (Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Akademiemitglied), Moderation: Gert G. Wagner (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) / TU Berlin)
Die Veranstaltung am 11.Dezember ist zugleich Teil der Vorlesungsreihe „Wissenschaftliche Politikberatung, Teil 2“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leibniz-Gemeinschaft.