Jede Epoche, Gesellschaft und Kultur bestimmt das Verhältnis zwischen den Farben immer wieder neu. Zudem werden den Farben in unterschiedlichen Kulturen jeweils andere Farbwörter zugeteilt und mit divergierenden symbolischen Bedeutungen aufgeladen. Vor diesem Hintergrund soll die Farbe als Erkenntniswert in ihrer gesellschaftlichen Verwendung in den Blick genommen werden.
Bereits in der Antike wird Farbe zum Reflexionsgegenstand von Philosophen, Kunsttheoretikern, Künstlern und Dichtern. Zum salonfähigen Thema avanciert die Farbdebatte jedoch erst mit Newtons prismatischer Farberkenntnis. Die einsetzende Newtonrezeption und die damit verbundene Dispersion der physikalischen Farbdebatten tragen wesentlich zur diskursiven Entdeckung der Farbe bei. Spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts feiert die Farbthematik mit der Nobilitierung zum Gegenstand natur- und geisteswissenschaftlicher Forschung Konjunktur: Die Diskurse werden vernetzt und die quantitative Multiplikation von Farbstudien Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt sich zur qualitativen Wissensexplosion. Die Farbe wird nicht nur zur zentralen und heftig umstrittenen Schnittstelle chemischer und physikalischer, medizinischer, architektonischer, wahrnehmungspsychologischer, kunsttheoretischer, ästhetischer und künstlerischer Diskurse; vielmehr steht auch ihre Bedeutung in der Literatur außer Zweifel, man denke lediglich an die Farbe Blau als Signalmarker einer gesamten literarischen Epoche, als Sinnträger des romantischen Sehnens nach Liebe und Glück.