Ohne Exegese keine Philosophie und keine Theologie: So könnte man, leicht zugespitzt, die intellektuelle Situation der Spätantike umreißen. Die Lektüre und Auslegung anerkannter, als ‚normativ‘ verstandener Texte war spätestens seit der Dominanz des Platonismus in der Kaiserzeit ebenso für das pagane wie für das jüdisch-christliche Denken konstitutiv.
Auch in der Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen spielt die Frage nach der ‚richtigen‘ Exegese eine zentrale Rolle, wobei der gegnerischen Seite in der Regel das für die eigene Tradition selbstverständlich beanspruchte Recht auf eine über den Wortsinn hinausgehende, allegorische Deutung energisch abgesprochen wird.
Als besonders vertracktes Beispiel sei analysiert, wie Julian, Contra Galilaeos fr. 70 Masaracchia, und Kyrill von Alexandrien, Contra Iulianum 9,957Dff., mit der Erzählung vom ‚Sündenbock‘ in Leviticus 16 umgehen.
Grußworte
Klaus Lucas
Vizepräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Christoph Markschies
Sekretar der Geisteswissenschaftlichen Klasse, Humboldt-Universität zu Berlin
EXEGESE ALS KAMPFMITTEL IN DER AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN HEIDEN UND CHRISTEN
ZUM „SÜNDENBOCK” VON LEVITICUS 16 BEI JULIAN UND KYRILL VON ALEXANDRIEN
Christoph Riedweg
Istituto Svizzero di Roma, Universität Zürich