Geschrieben ist er in der sog. abnorm-hieratischen Kursive und bildet zudem den nunmehr längsten Text in dieser Schriftart überhaupt. Auch wenn nur in Gestalt von 60 Langzeilen erhalten, gewinnen wir dadurch Einblick in den Streit zweier Priester am Tempel des Sonnengottes von Heliopolis. Amenemope wird am Ende von einem Richterkollegium als „Lügner“ und damit als „Schuldiger“ zu einer empfindlichen Geldstrafe und Amtsverlust verurteilt, sein Antipode Jhy geht dagegen als der „Gerechtfertigte“ und strahlende Sieger aus diesem Prozess hervor.
Fiktionalitätssignale heben diese Erzählung weit über vergleichbare juristische Urkunden hinaus, die eingestreute Königsschelte eines Userma’atre seitens des Gottes von Heliopolis sucht ihresgleichen und gesellt sich zu späteren Invektionen u.a. in der demotischen Literatur. Das Dankesgebet des Siegers Jhy liefert vielleicht sogar die Schlüsselwörter zur Bestimmung der literarischen Gattung, und eine kursorische Notiz zum „Trinken süßen Weines“ deutet auf den sozialen und moralischen Kontext der beiden Priester.
Ein Vortrag von Hans-Werner Fischer-Elfert (Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Universität Leipzig).
Eine Veranstaltung des Akademienvorhabens „Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache“ im Zentrum Grundlagenforschung Alte Welt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW)