Akademievorlesungen im Sommersemester 2006
Die Herausforderung des Rechtsstaats durch den Terrorismus
Eine Veranstaltungsreihe der Interdisziplinäre Initiative Justizgewährung, Staatsräson und Geheimdienste
Die 2004 eingerichtete Projektgruppe »Justizgewährung, Staatsräson und Geheimdienste« befaßte sich mit den Folgen des 11. September 2001, dem mittlerweile weltweit agierenden Terrorismus und seinen Auswirkungen auf die innere und äußere Sicherheit im Rechtsstaat. In den Expertengesprächen wurden zunächst Motivation und Zielsetzung des gegenwärtigen Terrorismus analysiert; sodann die Strukturen und Gefährdungspotentiale terroristischer Gruppierungen in Deutschland und die daraus resultierenden sicherheitspolitischen Konsequenzen. Bei einer Abwägung von Prävention und Repression stellt sich einerseits die Frage der Balance von Sicherheitsgewährleistung und Gefährdung individueller Freiheit in der Demokratie. Andererseits wird der Konflikt von Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit im Spannungsfeld zwischen Normalität und Ausnahmezustand deutlich, der sich in einer weltweiten Entwicklung demokratischer Staaten hin zum Präventionsstaat manifestiert. Erfolgversprechende Präventionsstrategien stellen das etablierte System der Gewaltenteilung der europäischen Länder und Nordamerikas vor rechtsstaatliche Probleme. So besteht die Gefahr, den Justizgewährungsanspruch des einzelnen dem Prinzip der Staatsräson zu opfern, wenn etwa die grenzüberschreitende Kooperation der Geheimdienste die justitielle Kontrolle der Exekutive einschränkt.
Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes
Einführung und Moderation: Günter Stock
Zusammenfassung:
Seit Anfang der 90er Jahre wird die terroristische Szene weltweit immer stärker durch den islamistisch motivierten transnationalen Terrorismus geprägt. Demgegenüber sind Terrorgruppierungen säkularer Prägung und mit regional begrenztem Wirkungsanspruch in den Hintergrund getreten. Der transnationale Jihad-Terrorismus konfrontiert uns mit einer neuen totalitären Bedrohung. Seine Kennzeichen sind asymmetrische „Kriegsführung“ und die universelle Bedrohung der internationalen Ordnung.
Diese Form des Terrorismus verfolgt das strategische Ziel, westliche und bisher gemeinhin als universal anerkannte Werte zurückzudrängen, moderate islamische – in den Augen der Terroristen ungläubige – Regime zu schwächen und an deren Stelle eine fundamentale Ordnung zu errichten. Es ist ein Kampf gegen westliche Lebensformen und gegen muslimische Aufklärung. Der Jihad-Terrorismus bedroht alle offenen Gesellschaften – auch uns.
Der kaum einzugrenzende Operationsraum, die quasi weltweiten Unterstützerstrukturen, die breite Feindkategorie als Kern einer äußerst flexiblen Gewalt-Doktrin machen diese Form der Bedrohung präzedenzlos.
Bei der Betrachtung des islamistischen Terrorismus sind über die letzten Jahre Veränderungen erkennbar, die zu charakterisieren sind als Dezentralisierung in operativer Hinsicht bei gleichzeitiger Ideologisierung in globalem Rahmen.
Ursachen und Ausprägungen des islamistischen Terrorismus sind außerordentlich komplex. Seine Bekämpfung erfordert daher einen holistischen Ansatz bestehend aus den Grundkomponenten nachrichtendienstlich-präventive/polizeilich-exekutive und politisch-strategische Maßnahmen.
Die Bekämpfung aktiver Terror-Gruppierungen ist das Ressort der Sicherheitsbehörden. Dabei kommt zwei Aspekten besondere Bedeutung zu: Erstens der nachrichten-dienstlichen Aufklärung, um dem Gebot der Prävention nachzukommen, zweitens der internationalen Zusammenarbeit in der Sicherheits-Community, da nur so der transnationale Aktionsraum der Terroristen adäquat aufgeklärt werden kann.
18.30 Uhr