Schleiermachers Vorlesungen über Christliche Sittenlehre
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), der „Kant der protestantischen Theologie“ (Strauß; ähnlich Dilthey) gehört zu den großen Systemarchitekten der deutschen Theologie und Philosophie. Seine Vorlesungen zur Christlichen Sittenlehre nehmen eine zentrale Stellung in seinem Werk ein. Sie bilden ein Komplement zur dogmatischen Glaubenslehre und zu den Vorlesungen über Praktische Theologie sowie zu den Vorlesungen über Philosophische Ethik. Auch werkgenetisch kommt der Christlichen Sittenlehre eine besondere Rolle zu, denn die Jahrgänge der Vorlesung dokumentieren die Entwicklung des Schleiermacherschen Denkens über die letzten drei Jahrzehnte seiner Wirksamkeit gerade hinsichtlich des für ihn zentralen Programms: der Durchdringung der Gegenwartskultur mit dem ‚Geist des Christentums‘.
Das DFG-Langzeitprojekt
Die Hybridedition der Vorlesungen Schleiermachers über Christliche Sittenlehre ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten und auf zehn Jahre angelegten Langfristvorhabens „Theologische Ethik als Kulturtheorie. Hybridedition von F.D.E. Schleiermachers Vorlesungen über Christliche Sittenlehre und ihre historische und systematische Erschließung“ . Das DFG-Langfristvorhaben umfasst neben der Edition der Vorlesungen auch deren wissenschaftliche Erschließung und ist eine Kooperation der BBAW mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Edition und Textgrundlage
Die Christliche Sittenlehre ist die Vorlesung, die Schleiermacher insgesamt am häufigsten gehalten hat und zugleich seine mit Abstand am besten durch Nachschriften bezeugte Vorlesung. Die Textgrundlage des Projektes bilden die eigenhändigen Manuskripte, die Schleiermacher seinen Vorlesungen zugrunde gelegt hat, sowie 20 gegenwärtig erhaltene Nachschriften aus sechs Jahrgängen, die von Hörern der Vorlesung angefertigt wurden und größtenteils unveröffentlicht sind.
Die an der BBAW erarbeitete Hybridedition kombiniert eine historisch-kritische digitale Edition der gesamten Überlieferung zur Christlichen Sittenlehre – sämtlicher Ausarbeitungen Schleiermachers sowie aller bekannten Hörernachschriften – mit einer Druckausgabe ausgewählter Textzeugen im Rahmen der Kritischen Schleiermacher-Gesamtausgabe (KGA). Die sukzessive im Open Access Format digital publizierten Texte erscheinen auf der Publikationsplattform schleiermacher-digital. Die Publikationsplattform vereint die Editionsergebnisse der an der BBAW angesiedelten Forschungsprojekte zu Friedrich Schleiermacher bietet neben den Vorlesungen zur Christlichen Sittenlehre eine historisch-kritische Edition seiner Vorlesungen zur Ästhetik, zur Philosophischen Ethik und zur Praktischen Theologie, sowie seine Tageskalender und seine Korrespondenz.
Digital Humanities (DH)
Für die digital publizierten Texte sollen Analyse- und Recherchetools zur Verfügung gestellt werden, deren Entwicklung ebenfalls Bestandteil des Forschungsvorhabens ist. Die digitale Edition der Christlichen Sittenlehre wird mit der digitalen Arbeits- und Publikationssoftware für Editionsvorhaben „ediarum“ realisiert. Die Spezifika der edierten Materialen, insbesondere der Hörernachschriften, machen allerdings eine Weiterentwicklung der bisherigen digitalen Edition notwendig. Ziel des Arbeitsbereichs Digital Humanities im Rahmen des Projekts ist daher die Implementierung folgender neuer Funktionalitäten:
Historisch-systematisches Forschungsprojekte
Auf Basis dieser neu und teils erstmals edierten Quellen erschließen drei an den Universitäten der Kooperationspartner angesiedelte historisch-systematische Forschungsprojekte sukzessive die christliche Sittenlehre Schleiermachers als christliche Sozial- und Institutionentheorie.
Laufendes Forschungsprojekt (1. Modul: 2021-2023)
Dr. Karl Tetzlaff (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Die theologie- und philosophiegeschichtlichen Hintergründe von Schleiermachers Christlicher Sittenlehre und ihre methodischen Innovationen
Projektbeginn
September 2021 (geplante Laufzeit: 10 Jahre)
Kooperationspartner
Prof. Dr. Jörg Dierken (Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Prof. Dr. Arnulf von Scheliha (Westfälischen Wilhelms-Universität Münster)
Prof. Dr. Notger Slenczka (Humboldt Universität zu Berlin)
Die im Rahmen der DFG-Langzeitprojektes zu erarbeitenden Bände der KGA Schleiermacher:
Abteilung II: Vorlesungen, Bd. 5: Vorlesungen zur Christlichen Sittenlehre (voraussichtlich mehrere Teilbände)
Links
Das Akademienvorhaben „Schleiermacher in Berlin: 1808-1834: Briefe, Tageskalender, Vorlesungen“
In dem Akademienvorhaben werden seit 2012 die Tageskalender Schleiermachers, seine Korrespondenz sowie die Vorlesungen zur Praktischen Theologie und zur Philosophischen Ethik ediert.
Die Schleiermacher-Forschungsstelle der Universität Kiel
An der Schleiermacher Forschungsstelle der Universität Kiel wurden und werden zentrale Werke, ausgewählte Vorlesungen und die Predigten Schleiermachers für die historisch-kritische Schleiermacher Gesamtausgabe (KGA) ediert.
Internationale Schleiermacher Gesellschaft
Die 1996 gegründete Schleiermacher-Gesellschaft fördert die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Werk F. Schleiermachers auf internationaler Ebene und in interdisziplinärer Form.
Schleiermachersche Stiftung
Die Schleiermachersche Stiftung fördert Symposien und Kongresse und vergibt Stipendien oder Zuschüsse für wissenschaftliche Arbeiten, die sich thematisch mit Schleiermachers Schriften, seinem Wirken oder Leben beschäftigen.
Verlag Walter de Gruyter
Bei dem Verlag de Gruyter erscheinen die historisch-kritische Friedrich Schleiermacher Gesamtausgabe (KGA). Sie gliedert sich in V Abteilungen und umfasst: I. Schriften und Entwürfe, II. Vorlesungen, III. Predigten, IV. Übersetzungen, V. Briefwechsel und biographische Dokumente. Jeder Abteilung ist auch der ihr zugehörige handschriftliche Nachlass zugeordnet. Die Publikationsreihe des Schleiermacher-Archivs bietet Materialien zu Schleiermacher sowie eine wissenschaftliche Reflexion seines Werkes, seines ideengeschichtlichen Kontextes und seiner Wirkungsgeschichte.