Die Ereignisse des 11. September 2001 und in deren Folge der Kampf gegen den mittlerweile weltweit agierenden Terrorismus haben zu einer neuen Diskussion des Themas innere und äußere Sicherheit sowie des Verhältnisses der drei Staatsgewalten, Legislative, Exekutive und Judikative in der Bundesrepublik Deutschland geführt.

 

Auch international veranschaulichen die inzwischen unternommenen Maßnahmen die Schwierigkeit, auf solche Angriffe angemessen zu reagieren. Neben den bisher kaum befriedigend gelösten Fragen nach einer Erfolg versprechenden Präventionsstrategie, offenbarten die Hamburger Prozesse um Mounir El Motassadeq und Abdelghani Mzoudi bisher auch in der Bundesrepublik Deutschland kaum betrachtete Probleme im Rahmen des in den europäischen Ländern sowie Nordamerika zwar im Detail variierenden, aber doch fest etablierten Systems der Gewaltenteilung.

 

Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG); wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen (Art. 19 Abs. 4 GG). Damit ist Handeln der staatlichen Exekutive an Gesetze gebunden und unterliegt der Kontrolle durch die Justiz.

 

Dieses System wird zum Nachteil von Justizgewährung beeinträchtigt, wenn ein Träger hoheitlicher Gewalt seine Mitwirkungspflichten im Gerichtsverfahren unter Hinweis besonderer Interessen des Staates verweigert (Staatsräson). Ein besonderes Problem hat sich in diesem Zusammenhang gezeigt, wenn Geheimdienste grenzüberschreitend Informationen austauschen, deren Weitergabe an Gerichten der Partnerländer jedoch ausdrücklich untersagt ist. In diesen Fällen versetzen die kooperierenden Dienste sich in den Stand eines gegenüber ihren nationalen Gerichten abgeschotteten Reservatwissens. Sie entziehen sich durch ihr geheimdienstliches Zusammenwirken der justitiellen Kontrolle auf eine Weise, wie es im jeweiligen nationalen Recht aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht hingenommen würde.

 

Eine derartige Einschränkung justitieller Kontrolle wurde bislang in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht wissenschaftlich untersucht. Die Mitglieder der Initiative haben sich daher das Ziel gesetzt, sich der skizzierten Problematik durch gründliche Bearbeitung mehrerer Themenbereiche zu nähern, die einer ausführlichen Darstellung und Diskussion im Rahmen von Expertengesprächen bedürfen.

 

Forschungsbericht:  Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit. Analysen, Handlungsoptionen, Perspektiven, herausgegeben von Kurt Graulich und Dieter Simon, Forschungsbericht der Interdisziplinären Arbeitsgruppen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Band 17, Akademie Verlag 2007, ISBN: 978-3-05-004306-7

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