Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Gesellschaft – Wasser – Technik“
Entwicklungspfade zu einem nachhaltigeren Wassermanagement
Die verschiedenen Nutzungsansprüche an die Georessource Wasser stellen die globale Wasserwirtschaft vor große Herausforderungen. Der Druck auf die weltweiten Wasserressourcen steigt: Demographische Entwicklungen – die Weltbevölkerung hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt und wird in den kommenden Jahrzehnten auf voraussichtlich 9 Milliarden Menschen ansteigen –, wirtschaftliches Wachstum, Veränderung der Lebensstile, aber auch der Klimawandel sind entscheidende Faktoren.
In der Vergangenheit wurden häufig (groß-)technische Lösungen als Instrumente zur Bewältigung dieser Herausforderungen herangezogen. Beispiele sind der Bau von Staudämmen zur Energieerzeugung, großflächige Systeme zur Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen und technische Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Erfahrungen in vielen Regionen der Welt haben jedoch gezeigt, dass ein vorrangig technischer Lösungsansatz nicht immer zu den gewünschten Resultaten geführt hat. Häufig waren sogar negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt die Folge. Wassertechnische Großprojekte sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass ihre Folgen zumeist irreversibel sind und sie durch die Bindung von Ressourcen die Entwicklungsoptionen ganzer Regionen langfristig einschränken können.
Vor diesem Hintergrund untersuchen die Mitglieder der interdisziplinären Arbeitsgruppe (IAG) „Gesellschaft – Wasser – Technik“, inwieweit Wassertechnologien einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Georessource Wasser leisten können und welchen Einfluss vor allem wassertechnische Großprojekte auf die Entwicklung von Gesellschaft und Naturressourcen ausüben. Insbesondere werden die folgenden Forschungsfragen bearbeitet:
Übergeordnetes Ziel der IAG ist es, wissensbasierte Politik- und Gesellschaftsberatung zu befördern und dabei Handlungsoptionen für eine technisch machbare, ökologisch fortschrittliche und gesellschaftlich faire Wassernutzung aufzuzeigen. Dieses Ziel soll u. a. durch die Untersuchung von zwei international bedeutenden Fallbeispielen unterstützt werden: Dabei handelt es sich einerseits um das Ferganatal in Zentralasien sowie andererseits um das Einzugsgebiet des südlichen Jordantals im Nahen Osten.
Das Cluster „Fergana“
Das bis 1991 politisch einheitlich verwaltete Ferganatal wurde nach Auflösung der Sowjetunion zwischen Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan aufgeteilt. Sowohl globalpolitisch als auch für die zentralasiatische Region gilt das Gebiet als Brennpunkt für Wasserkonflikte.
Im Ferganatal wurde zur Zeit der früheren Sowjetunion das Bewässerungsnetz durch die Überleitung und Verbindung einzelner Flüsse und den Bau von Kanälen und Reservoirs massiv ausgebaut. Die Nutzung der Wassermassen der Ströme Amu-Darya und Syr-Darya bot die Grundlage für die Schaffung eines der größten Baumwollanbaugebiete der Welt. Heute versorgt dieses System eine der am dichtesten besiedelten Regionen Zentralasiens mit Wasser. Die massiven Eingriffe in den Wasserhaushalt bleiben jedoch nicht ohne Auswirkungen: Als bekanntestes Beispiel gilt die Austrocknung des Aralsees, der als Ergebnis der starken Wasserentnahme seiner Zuflüsse heute nur noch einen Bruchteil seiner früheren Ausdehnung aufweist.
Der Fokus der Untersuchungen der IAG liegt im Ferganatal auf der Bewässerungswirtschaft und auf den Dämmen am Oberlauf des Syr-Darya. Im Kontakt mit Wassernutzern und anderen Betroffenen sollen alternative Handlungsoptionen bzw. Umsteuerungsmöglichkeiten im Umgang mit eingeschlagenen Entwicklungspfaden, sogenannten Pfadabhängigkeiten, aufgezeigt werden.
Das Cluster „Jordan“
Ein weiterer globaler Hotspot – nicht nur aus wasserwirtschaftlicher Sicht – ist das Jordaneinzugsgebiet. Das Untersuchungsgebiet umfasst das Gebiet südlich des Sees Genezareth, welcher als der natürliche Hauptwasserspeicher für die Versorgung der Region mit Trinkwasser und für die Bewässerungswirtschaft dient. Die Übernutzung der Wasserressourcen des Sees und des Jordans hat negative Folgen für die Gewässerökologie und für die Situation am Toten Meer, das stark auf die Zuflüsse des Jordans angewiesen ist. Derzeit sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres um ca. einen Meter pro Jahr. Grundwasser drängt nach, u. a. mit der Folge, dass die Süßwasserquellen rund um das Tote Meer versiegen.
Zur Verbesserung bzw. Stabilisierung der Situation des Toten Meeres gibt es verschiedene Konzepte, z. T. unter Einbeziehung wassertechnischer Großprojekte. Eines dieser Konzepte sieht die Errichtung eines Kanals für den Wassertransfer zwischen dem Roten und dem Toten Meer vor und wird als „Red Sea-Dead Sea Water Conveyance Project“ (RSDS) bezeichnet. Dieses Projekt, seine Alternativen und seine Hintergründe werden von der Arbeitsgruppe näher beleuchtet. Im Vordergrund der Analyse stehen hierbei auch Fragen des grenzüberschreitenden Gewässermanagements und inwiefern wassertechnische Großprojekte ökologische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen einer Region im Sinne von Pfadabhängigkeiten beeinflussen.