Den Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
erhält
PD Dr. Roberto Lo Presti.
Roberto Lo Presti wurde 1978 in Palermo geboren und studierte an der dortigen Universität Klassische Philologie. Im Jahr 2008 erfolgte die Promotion in diesem Fach. Nach der Promotion hatte er von 2008 bis 2010 ein Post-doc Research Fellowship an der Universität Palermo inne. Verschiedene Forschungsaufenthalte führten ihn unter anderem nach Leiden, Paris und Utrecht. Im Jahr 2010 kam er dann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Klassische Philologie der Humboldt-Universität. Im Februar 2018 wurde Roberto Lo Presti an der Sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität mit einer Untersuchung zu „Wo der Philosoph aufhört, fängt der Arzt an: Aufsätze über die Medizin und Philosophie und über ihr Verhältnis in der Antike und der Frühneuzeit“ habilitiert.
Die Forschungsinteressen von Herrn Lo Presti liegen im Bereich der antiken Philosophie, Medizin- und Wissenschaftsgeschichte sowie ihrer Rezeption bis ins 18. Jahrhundert hinein. Im Rahmen seiner Untersuchungen beschäftigt er sich beispielsweise mit den Schriften des Hippokrates sowie ihrer Rezeption in der Moderne, der Verbreitung von medizinischen Ideen in der Antike oder auch mit kognitiven Theorien und Sinneswahrnehmung. Dabei berücksichtigt er jedoch nicht nur antike und mittelalterliche Schriften oder solche aus der Renaissance, sondern Roberto Lo Presti verknüpft seine Kenntnisse hierzu mit modernen Theorien und philosophischen Ansätzen. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Verbindung von Philosophie und Medizin, Biologie, Bioethik sowie Neurophysiologie.
Seine Forschung genießt international hohe Anerkennung, und er war an zahlreichen renommierten wissenschaftlichen Einrichtungen zu Gast. Einige seiner Forschungsaufenthalte habe ich bereits erwähnt.
Seine Forschungsergebnisse hat Roberto Lo Presti in einer ganzen Reihe von zumeist sehr umfangreichen Aufsätzen in renommierten Fachzeitschriften und Sammelbänden veröffentlicht.
Schließlich hat Herr Lo Presti sich auch in der Verwaltung und in der Berliner Verbundforschung nachhaltig eingebracht. So war er zum Beispiel mehrere Jahre Koordinator des Promotionsprogramms „History of Ancient Science“ der Berlin Graduate School for Ancient Studies des Berliner Antike-Kollegs.
Roberto Lo Presti ist ein äußerst engagierter und angesehener Wissenschaftler, der auf seinem Gebiet durch die Erschließung und Auswertung von bisher kaum erforschten Primärquellen Pionierarbeit leistet, traditionelle Erklärungsmodelle und Begriffe hinterfragt und auf diese Weise die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen der Philosophie und der Medizin epochenübergreifend interpretiert.
Durch die Verleihung des diesjährigen Walter de Gruyter-Preises der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften an Roberto Lo Presti würdigt die Akademie dessen herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Geisteswissenschaften.
Den Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
erhält
Dr. Bettina Hitzer.
Dr. Bettina Hitzer, die Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes war, studierte von 1990 bis 1999 Geschichtswissenschaft, Romanistik, Germanistik sowie Erziehungs- und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Ein Stipendium des DAAD und der französischen Regierung führte sie 1993 für ein Jahr an die Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne. 1999 legte sie das Erste Staatsexamen ab, 2004 wurde sie an der Universität Bielefeld zum Dr. phil. promoviert.
Von 1999 bis 2007 war Bettina Hitzer Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld. 2007 wechselte sie an das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, wo sie seit 2014 Minerva-Forschungsgruppenleiterin ist.
Bettina Hitzers vielgelobte Monographie „Im Netz der Liebe“ widmet sich dem Thema der Migration und Zuwanderung im Preußen der Jahre 1849 bis 1914 – eine Entwicklung, die von der protestantischen Kirche und der Inneren Mission sorgenvoll betrachtet wurde und diese zu einem beeindruckenden gesellschaftlichen Engagement veranlasste. In ihrer Berliner Lokalstudie unterzog Bettina Hitzer die diesbezügliche Tätigkeit der zahlreichen lokalen Vereine und Verbände einer eingehenden Analyse und erlangte dabei Aufschlüsse über das Gesellschaftsbild der Akteure, ihre Selbst- und Problemwahrnehmung sowie ihre Vorurteile und Lernprozesse beim Umgang mit den Zuwanderern. Das Ergebnis ist zwiespältig: Einerseits ging der Protestantismus aktiv auf soziale Probleme zu und spann ein ungemein facettenreiches Tätigkeitsnetz, das andererseits aber durch Vorurteile, Vorannahmen und entsprechend interpretierte Erfahrungen blockiert wurde.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit im Forschungsbereich „Geschichte der Gefühle“ untersucht Bettina Hitzer derzeit das Thema der Angst vor Krebs im 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt dieser emotionsgeschichtlichen Arbeit, mit der sie sich zugleich habilitiert, stehen Mediziner, Pharmaindustrie und Medien, die ihrerseits Angst schüren und zugleich versprechen, sie zu bewältigen.
Neben diesen beiden großen Forschungsschwerpunkten sind zwei weitere herausragende Veröffentlichungen aus dem Jahr 2010 zu nennen, und zwar die gemeinsam mit Thomas Welskopp herausgegebene Publikation „Die Bielefelder Sozialgeschichte. Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen“, das deutliche theoretische und methodologische Interessen verrät. Demgegenüber zeigt das mit Michael Häusler herausgegebene Buch „Zwischen Tanzboden und Bordell. Lebensbilder Berliner Prostituierter aus dem Jahr 1869“ die Begeisterung für historische Quellen und die neugierige Lust auf deren Kontextualisierung und Interpretation.
Diese empirisch vielfältigen und theoretisch anspruchsvollen Publikationen weisen Bettina Hitzer, die zudem Mutter dreier Kinder ist, als eine äußerst vielseitige, kreative und sorgfältig-kluge Historikerin aus, die ebenso feinfühlige wie analytisch klare Bücher schreibt.
Durch die Verleihung des diesjährigen Walter de Gruyter-Preises der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften an Dr. Bettina Hitzer würdigt die Akademie deren herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Geisteswissenschaften.
Den Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
erhält
Professor Dr. Markus Rüttermann.
Markus Rüttermann (Jahrgang 1965) ist Japanologe mit den Schwerpunkten Sozial- und Kulturgeschichte des japanischen Mittelalters sowie Paläographie. Von 1985 bis 1992 hat er – gefördert von der Studienstiftung des Deutschen Volkes – Japanologie und Geschichte an der Universität Hamburg studiert; 1987/88 verbrachte er ein Studienjahr in Japan an der International Christian University. Von 1996 bis 2002 war er wissenschaftlicher Assistent an der Mori-Ōgai-Gedenkstätte der Humboldt-Universität zu Berlin und habilitierte sich dort 2002 für das Fach Japanologie. Im selben Jahr wurde er an das International Research Center for Japanese Studies in Kyoto berufen: Dort ist er seither am Research Board als Forschungsprofessor tätig, verbunden mit einer Professur an der Graduate University for Advanced Studies (SOKENDAI) in Kanagawa. 2010 und 2012 war er Gastprofessor an der Humboldt-Universität.
1995 wurde Markus Rüttermann mit einer Arbeit über das Dokumentenkonvolut einer japanischen Dorfgemeinde des späten Mittelalters zum Dr. phil. promoviert, nachdem er zuvor zwei Jahre an der Städtischen Universität Osaka und in der Region des nördlich von Kyoto gelegenen Dorfes Suganoura geforscht hatte. Diese Arbeit wurde mit dem Preis der Universitäts-Gesellschaft Hamburg ausgezeichnet.
Im Jahr 2000 erschien seine zweite Monographie mit dem Titel „Unbefangenheit. Keichûs Beitrag zur Wissenschaftstheorie im frühneuzeitlichen Japan“. Gemeinsam mit Klaus Kracht gab Markus Rüttermann 2001 das Standardwerk „Grundriss der Japanologie“ heraus, das einen von ihm erarbeiteten Überblick über die Genese und Struktur des Faches enthält.
2011 erschien schließlich seine dreibändige Habilitationsschrift, sein Opus magnum über „Schreib-Riten (shorei): Untersuchungen zur Geschichte der japanischen Briefetikette“, mit dem er erstmals eine Darstellung der Geschichte der japanischen Briefetikette und ihrer bis heute wirkungsmächtigen Grußrhetorik vorgelegt hat. Dabei ist es ihm gelungen, die Komplexität dieser extrem anspruchsvollen und normierten Kommunikationsform in ihren sozialen, linguistischen und materiellen Dimensionen zu wahrem Leben zu erwecken. Das Werk verspricht über die umfassende Erschließung seines Gegenstandes hinaus durch Querverbindungen und aktuelle Bezüge epochen- und disziplinenübergreifend neue Erkenntnisse.
Indem Markus Rüttermann der diesjährige Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verliehen wird, würdigt die Aka-demie seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen im Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften.
Den Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
erhält
Professor Dr. Monique Scheer.
Monique Scheer arbeitet zum Thema „Religiöser Enthusiasmus“. Sie ist in den USA geboren und aufgewachsen und hat ihren B.A. 1989 an der Stanford University gemacht, mit einem major in Geschichte. Schon während ihres Bachelor- Studiums und unmittelbar danach ging sie an die Universität Heidelberg und von hier 1990 zunächst für vier Jahre als Redakteurin zum Stuttgarter Georg Thieme Verlag. Anschließend setzte sie ihre akademische Ausbildung fort, zuerst mit einem Magisterstudium an der Universität Tübingen in den Fächern Empirische Kulturwissenschaft und Religionswissenschaft (MA 2000), dann mit einer Promotion ebendort (2005). 2011 folgte sie einem Ruf an das dortige Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft.
Aus ihrer Magisterarbeit ging bereits ein weitbeachteter Aufsatz hervor, den sie 2002 in der Fachzeitschrift American Historical Review publizierte. Der Text, der sich mit dem Bedeutungswandel schwarzer Madonnen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert beschäftigt, vereint geschichts-, religions- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Auch in ihrer Dissertation blieb M. Scheer dieser Multiperspektivität treu. Sie untersuchte Marienerscheinungen im 20. Jahrhundert, vor allem in und nach den beiden Weltkriegen, und stellte sie in einen erfahrungsgeschichtlichen Kontext. Religiöse Traditionen, alltagsweltliche Kultpraxis und politische Instrumentalisierung bilden die Eckpunkte einer Studie, die sich als Beitrag zu einer empirischen Kulturwissenschaft versteht, aber ebenso gut in religions- oder geschichtswissenschaftliche Diskurse passt. Von 2008 bis zu ihrer Rückkehr nach Tübingen war M. Scheer, nach einigen kreativen Jahren im Tübinger Sonderforschungsbereich „Kriegserfahrungen“ (2005-2007), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (bis 2011). Sie hat sich nun gleichsam mit ihren Forschungen von den Katholiken zu den Protestanten begeben, den Zeitraum erweitert (18. Jahrhundert bis heute) und den räumlichen Fokus bis in die USA ausgedehnt. Ihrem Interesse, Religion, Geschichte und Ethnologie zu verbinden, ist sie treu geblieben. Deshalb arbeitet sie auch nicht nur mit Texten, in denen sie die Spuren schwärmerischer Gefühle verfolgt, sondern auch mit teilnehmender Beobachtung und mit Interviews bei den protestantischen „mega-churches“, die sich rund um Stuttgart angesiedelt haben. Sie hat einen starken Sinn für theoretische Fragen und Konzepte, ist aber immer darauf bedacht, diese Konzepte am empirischen Material zu testen. Und sie ist eine Meisterin disziplinärer Verknüpfung.
Den Walter de Gruyter-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
erhält
Professor Dr. Bénédicte Savoy.
Bénédicte Savoy (Jahrgang 1972) studierte Germanistik an der Ecole Normale Supérieure in Paris (1992-1997), legte nach einem Forschungsaufenthalt an der Humboldt-Universität zu Berlin 1996 das französische Staatsexamen (Agrégation) ab, war anschließend bis 2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre Marc Bloch und lehrte an der Freien Universität Berlin. Im Jahre 2000 promovierte sie, war 2001/2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre Interdisciplinaire d´Etudes et de Recherches sur l´Allemangne in Paris, ging 2003 als Juniorprofessorin für Kunstgeschichte an die Technische Universität Berlin und ist dort seit 2009 Universitätsprofessorin (W3) am Institut für Geschichte und Kunstgeschichte. 2001 erhielt sie den Pierre-Grappin-Preis der Association des Germanistes de l´Enseignement Supérieur. 2007 wurde sie in „Die Junge Akademie“ gewählt.
B. Savoy hat bisher sieben Bücher (Abhandlungen, Editionen, Übersetzungen) vorgelegt. Ihre Dissertation „Patrimoine annexé. Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800“ (Paris 2003) rekonstruiert erstmals quellengründlich und umfassend, aber auch ideen- und institutionengeschichtlich hochinspiriert, die Geschichte des sogenannten Napoleonischen Kunstraubs in Deutschland. Sie beschreibt darin die kulturideologischen Umbrüche, die der Kunstraub auf beiden Seiten auslöste. Obwohl bislang nur in Französisch vorliegend, ist das Buch in den großen deutschen Feuilletons ausführlich besprochen und als einschlägiges Standardwerk einhellig gefeiert worden. Mit großer Sicherheit und Effizienz bewegt sie sich in ihren Arbeiten zwischen politischer Geschichte, Kunst-, Institutionen- und Ideengeschichte. In ihrem 2006 erschienenen Band „Tempel der Kunst. Die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815“ geht es um die Widerlegung eines Stereotyps, nach welchem das „moderne“ als das öffentliche Museum mit dem „Musée Napoléon“ im nachrevolutionären Paris begänne. Dass dies nicht zutrifft, haben in jüngster Zeit auch andere Forscher vermutet, aber keiner hat wohl einen so klaren Nachweis zu führen vermocht wie die Gruppe um Bénédicte Savoy.
Große öffentliche Aufmerksamkeit findet sie auch als europäische Beutekunst-Expertin, als Kuratorin der großen Napoleon-Ausstellung 2010 in der Bundeskunsthalle Bonn, als Mitorganisatorin des Berliner Exzellenz-Clusters „Topoi“ und dessen Kooperation mit der „Jungen Akademie“, als Mitherausgeberin eines Lexikons deutscher Kunsthistoriker für französische Leser und als Herausgeberin einer im vergangenen Jahr erschienenen Edition des vergessenen Werks „Leben und Kunst in Paris seit Napoléon I.“ von Helmina von Chézy, Projekte, die bevorzugt Fragen des europäischen, meist französisch-deutschen Kulturaustauschs berühren.