Ehrenmitglieder

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. med. Dr. h. c. mult. Detlev Ganten, Ph.D.

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner jahrzehntelangen herausragenden Leistungen und Verdienste als Wissenschaftler, Wissenschaftsmanager und Förderer des zivilgesellschaftlichen Engagements. Durch sein rastloses Engagement in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und seine vielfältigen Ideen hat er das Gesicht dieser Institution seit ihrer Neukonstitution vor dreißig Jahren zentral geprägt.

Detlev Ganten gilt als Wegbereiter der molekularen Medizin in Deutschland. Er hat wegweisende Beiträge sowohl zur Entstehung und Behandlung von Bluthochdruck als auch zur Evolution von Genen der Herzkreislaufregulation vorgelegt. Sein zentrales Forschungsthema ist die hormonelle Regulierung des Blutdrucks. Auf diesem Gebiet hat er bahnbrechende Ergebnisse erzielt, die zu zahlreichen Publikationen sowie zu einer verbesserten Therapie des Bluthochdrucks führten. Detlev Ganten klärte u. a. Entstehungsmechanismen der Hypertonie auf und befasste sich insbesondere mit dem Renin-Angiotensin-System – einer zentralen Schaltstelle des hormonellen Blutdruck-Regulationssystems.

Ein erster wissenschaftlicher Durchbruch gelang Detlev Ganten bereits mit 29 Jahren: Er konnte zeigen, dass das blutdruckregulierende Protein Angiotensin auch im Gehirn als Neuropeptid produziert wird. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass das Renin-Angiotensin-System ausschließlich als Hormonsystem im Blut funktioniert. Detlev Ganten gehörte zudem zu den ersten Forschern in Deutschland, die Experimente mit transgenen Tieren durchführten. Er forschte beispielsweise an Stammzellen von Mäusen und Ratten und hat mit seinem Team erfolgreich menschliche Gene, die möglicherweise an der Entstehung von Bluthochdruck beteiligt sind, in Ratten einbringen können. Anhand dieser von ihm entwickelten transgenen Tiermodelle konnte er die genetischen Ursachen von Hypertonie untersuchen. Seine Entdeckungen haben auch zu einer besseren Behandlung des Bluthochdrucks geführt, indem sie u. a. die Entwicklung neuer Medikamente wie der Angiotensin-Rezeptorantagonisten möglich machten.

Ebenso erfolgreich war Detlev Ganten als Wissenschaftsmanager und Leiter großer Forschungsinstitutionen tätig: In den 1990er und frühen 2000er Jahren formte Detlev Ganten das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch als Gründungsdirektor zu einem weltweit führenden Ort der biomedizinischen Grundlagenforschung. Anschließend gelang ihm als Vorstandsvorsitzenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin die historisch schwierige Aufgabe der Zusammenführung der Medizinischen Fakultäten der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu einer Universitätsmedizin Berlin – eine der größten Universitätskliniken Europas, bestehend aus 17 CharitéCentren verteilt auf vier Campi.

Gleich darauf, anlässlich der 300-Jahrfeier der Charité, gründete er den World Health Summit, dessen Präsident er von 2009 bis 2020 war, als internationales Forum zur Verbesserung der weltweiten Gesundheit und medizinischen Versorgung. In Fortführung dieses Engagements nahm Detlev Ganten den 200. Geburtstag Rudolf Virchows im Jahr 2021 zum Anlass, mit weiteren Gründungsstiftern die Virchow Foundation for Global Health ins Leben zu rufen, die sich dem Ziel der Vereinten Nationen zugunsten von „Gesundheit und Wohlergehen für alle Menschen“ verschrieben hat. Innovations- und Wissenschaftsförderung betreibt Detlev Ganten weiterhin durch die auf seine Initiative zurückgehende Gründung der Stiftung Charité im Jahr 2005, in der er heute als Ehrenvorsitzender des Stiftungsrats tätig ist.

Detlev Ganten ist ein starker Verfechter des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Dialogs zwischen Forschenden und der breiten Öffentlichkeit. So hat er beispielsweise 2009 den Genshagener Kreis gegründet, der bis heute junge, herausragende Führungskräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Kunst und Kultur zusammenbringt. Durch diesen disziplinenübergreifenden Austausch wird die Entwicklung von Projekten gefördert, die der Zivilgesellschaft Berlins zugutekommen. Beim diesjährigen Jubiläum zeigte sich, wie stark hier ein Netzwerk engagierter junger Menschen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft inzwischen das öffentliche Leben weit über Berlin hinaus prägt.

Im Jahre 1993 gehörte Detlev Ganten zu den Gründungsmitgliedern der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und übernahm als solches die Mitverantwortung für die strategischen Weichenstellungen jener Zeit, die für die erfolgreiche Etablierung dieser damals neuen Institution im deutschen Wissenschaftssystem von entscheidender Bedeutung waren. Von 2003 bis 2005 war er schließlich Vizepräsident der BBAW mit dem Aufgabenschwerpunkt „Internationale Beziehungen“. In seiner Amtszeit wurden Kooperationsverträge mit den Akademien in China, Brasilien und in Vietnam geschlossen. Besonders hervorzuheben ist sein großes Engagement in den interdisziplinären Arbeitsgruppen (IAG) der BBAW: Hierzu gehören die IAG „Wissenschaften und Wiedervereinigung“ (1994-1997), „Humanprojekt. Zur Stellung des Menschen in der Natur“ (2006-2009), „Zukunft der Medizin: ‚Gesundheit für Alle‘“ (2019-2022; Sprecher) sowie „Ernährung, Gesundheit, Prävention“ (2022 eingerichtet). Darüber hinaus war Detlev Ganten auch Mitglied der Arbeitsgruppe des Ständigen Ausschusses zur „Zukunft der Arbeit“ (2021-2023).

Immer wieder regt Detlev Ganten zu Themen, die „Gesundheit“ in einem sehr umfassenden Sinne verstehen, Gespräche, Initiativen und Vernetzungen an – sehr früh auch schon in Verbindung mit dem Globalen Süden und im Einsatz für die „Sustainable Development Goals“ der Vereinten Nationen. „Gesundheit für alle“ auf der Basis einer an die individuellen Bedürfnisse angepassten Gesundheitsversorgung und Prävention ist nicht zuletzt durch ihn ein Thema der Akademie geworden und hat weit über die Mitgliedschaft hinaus Menschen begeistert und in Projekte wie Veranstaltungen der Akademie verwickelt.

Detlev Ganten ist ein leuchtendes Beispiel für enormen, unermüdlichen Einsatz zum Wohle von Wissenschaft und Gesellschaft. Die Akademie hat ihm viel zu verdanken. Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Detlev Ganten würdigt die Versammlung der Akademiemitglieder dieses eindrucksvolle Engagement.

© MPI für Entwicklungsbiologie

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Christiane Nüsslein-Volhard

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung ihrer jahrzehntelangen herausragenden Leistungen und Verdienste als Wissenschaftlerin, Wissenschaftsmanagerin und Förderin des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Christiane Nüsslein-Volhard ist eine der weltweit bedeutendsten Pionierinnen der Entwicklungsbiologie. Ihre bahnbrechenden Forschungsarbeiten zur genetischen und molekularen Regulierung der Embryonalentwicklung, insbesondere bei der Fliege Drosophila melanogaster und dem Zebrafisch Danio rerio, haben unser Verständnis von Entwicklungsprozessen tiefgreifend verändert. Ihre Entdeckungen von zentralen Genen der embryonalen Entwicklung, die die Anlage des Körperplans und der Segmente steuern, waren revolutionär, gingen in die genetischen Lehrbücher ein und haben die Basis für zahlreiche nachfolgende Forschungen gelegt. Ebenso wegweisend waren ihre Forschungserkenntnisse zu gestaltbildenden Gradienten von Transkriptionsfaktoren, die die lokale Genexpression im Embryo konzentrationsabhängig regulieren. Für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen wurde sie 1995 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Christiane Nüsslein-Volhard ist nicht nur eine brillante Forscherin, sondern auch eine herausragende Wissenschaftsorganisatorin. Sie hat maßgeblich zur Schaffung und Förderung des internationalen wissenschaftlichen Austausches in der Entwicklungsbiologie und Molekulargenetik beigetragen. Als Direktorin der Abteilung Genetik am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen hat sie eine Umgebung geschaffen, die kreative und interdisziplinäre Forschungsansätze unterstützt und es vielen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht hat, ihre Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen.

Besonders hervorzuheben ist der unermüdliche Einsatz Christiane Nüsslein-Volhards für die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weit über das eigene Institut und Fach hinaus. Sie hat sich stets dafür eingesetzt, Talente zu entdecken und zu fördern, insbesondere von Frauen in der Wissenschaft. Hierzu hat sie zahlreiche Programme und Initiativen ins Leben gerufen, die junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen und ermutigen. Beispielhaft ist hier die 2004 von ihr gegründete Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu nennen. Die Stiftung unterstützt begabte Wissenschaftlerinnen mit Kindern, um ihnen die für eine wissenschaftliche Karriere erforderliche Freiheit und Mobilität zu verschaffen. Sie verhindert auf diese Weise, dass herausragende Talente der wissenschaftlichen Forschung verlorengehen und fördert Doktorandinnen und Postdoktorandinnen in einem Fach der experimentellen Naturwissenschaften oder der Medizin. Wenn man die stolze Liste der geförderten Frauen aus vielen Ländern und Kulturkreisen auf der Homepage der Stiftung ansieht (https://cnv-stiftung.de/stipendiatinnen ), ist man von der großen Zahl ebenso beeindruckt wie von den späteren Lebenswegen der Wissenschaftlerinnen. Eine derartige Förderung durch eine private Stiftung einer Wissenschaftlerin ist vollkommen einzigartig im deutschen Wissenschaftsraum und hat zu Recht in diesem Jubiläumsjahr Anerkennung in einer höchstrangig besetzten Festveranstaltung im Harnack-Haus gefunden.

Auch an ethischen und gesamtwissenschaftlichen Fragestellungen hat Christiane Nüsslein-Volhard intensiv mitgearbeitet. Von 2001 bis 2007 war sie Mitglied des Nationalen Ethikrats. Sie ist bekannt für ihre ebenso klaren wie pointierten Stellungnahmen, mit denen sie ihre wissenschaftlich begründeten Positionen furchtlos in die Öffentlichkeit bringt, auch wenn sie dafür nicht nur auf Beifall hoffen kann. Auch damit ist sie vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft Vorbild und ermuntert Jüngere, ihr auf diesem Weg offener Kommunikation wissenschaftlicher Wahrheit zu folgen. Wie sie für dieses Engagement und ihren Mut geradezu verehrt wird, dokumentiert beispielsweise die Wahl zur Vizekanzlerin (2009 bis 2013) und dann zur ersten Kanzlerin (2013 bis 2021) des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste.

Im Jahre 1993 gehörte Christiane Nüsslein-Volhard zu den Gründungsmitgliedern der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Sie hat mit ihrem Mut, ihrem Engagement und ihrer wissenschaftlichen Arbeit viele später zugewählte Mitglieder tief geprägt und formt auf diese Weise direkt und indirekt das Bild dieser Akademie in der Öffentlichkeit und ihre Vorstellung von einem idealen Mitglied. 

Christiane Nüsslein-Volhard ist als eine herausragende Wissenschaftlerin und Führungspersönlichkeit ein leuchtendes Beispiel für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ihre unermüdliche Leidenschaft für die Wissenschaft, gepaart mit ihrem Engagement für die Förderung anderer, hat nicht nur ihre eigene Disziplin bereichert, sondern auch das Leben vieler junger Forscherinnen und Forscher nachhaltig positiv beeinflusst. Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Christiane Nüsslein-Volhard würdigt die Versammlung der Akademiemitglieder ihre beispielhaften Beiträge für Wissenschaft und Gesellschaft.

© FHI der MPG

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Helmut Schwarz

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner herausragenden Lebensleistung.


Helmut Schwarz, geboren am 6. August 1943 in Nickenich (Landkreis Mayen-Koblenz), seit 1993 Ordentliches (Gründungs-)Mitglied der BBAW und ihrer Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse und seit 2013 entpflichtetes Ordentliches Mitglied, hat sich durch seine Lebensleistung sowohl um die Wissenschaft als auch um ihre Anwendung in ganz besonderer Weise verdient gemacht – auch in der Akademie, in der er als Sekretar, Vizepräsident und in vielen weiteren Ämtern zentrale Akzente für die heutige Gestalt der Institution gesetzt hat.

Als Chemiker hat Helmut Schwarz Ungewöhnliches geleistet. Er war ein Pionier der Gasphasenchemie und er hat dieses Gebiet mit seinen über 1.000 Publikationen wie kaum ein anderer geprägt. Traditionell wurden chemische Reaktionen in Lösung oder im Festkörper untersucht. Helmut Schwarz wollte wissen, wie Moleküle ohne das umgebende Lösungsmittel reagieren oder ohne die „Kraft des Kollektivs“ im Festkörper. Dazu musste er sich spezieller Apparate bedienen, der Massenspektrometer, in denen molekulare Spezies isoliert und gezielt mit anderen Molekülen oder Atomen zur Reaktion gebracht werden können. Der Titel einer seiner Übersichtsarbeiten lautete „Das Massenspektrometer als Laboratorium“ und „Die Chemie nackter Moleküle“. Er widmete sich der Klärung von detaillierten Reaktionsabläufen auf molekularer Ebene und der Untersuchung bisher nicht fassbarer Spezies durch Experimente in Kombination mit quantenchemischen Berechnungen. Durch die extremen Bedingungen im Massenspektrometer gelang Helmut Schwarz auch der Nachweis zahlreicher kleiner, hochreaktiver Spezies, die bis dahin nur im interstellaren Raum beobachtet worden waren oder deren Existenz zwar vorausgesagt, deren Synthese aber nie gelungen war. Eine Sensation war das Experiment, bei dem es ihm und seinen Mitarbeitern gelang, Heliumatome in Fullerene, die neuen kugelförmigen Kohlenstoffmoleküle, „hineinzuschießen.“

Sein besonderes Interesse galt der Aktivierung von Methan, eine Herausforderung, die nicht nur von fundamentalem chemischen Interesse, sondern auch von enormer industrieller und ökologischer Bedeutung ist. Das wird durch die Verleihung zweier Auszeichnungen von sehr unterschiedlicher Seite belegt: die Schrödinger Medal der World Association of Theoretical and Computational Chemists und der (hochdotierte) New Frontiers of Hydrocarbon Award des italienischen Eni-Konzerns. Mehr zum Thema ist von Helmut Schwarz bei seiner Gerhard Ertl Lecture am 11. Dezember 2023 im Harnack-Haus zu hören: „The Methane Challenge – A Cold Approach to a Hot Problem“.

Für seine Verdienste auf dem Grenzgebiet zwischen biologischer, organischer, metallorganischer, physikalischer und theoretischer Chemie sowie der Physik wurde Helmut Schwarz vielfach und vielseitig ausgezeichnet. Früh wurde seine Forschung durch den Leibniz-Forschungspreis der DFG und durch den Max-Planck-Forschungspreis gefördert. Zu seinem 60. Geburtstag ehrte ihn die weltweite Community mit einem Sonderband des International Journal of Mass Spectrometry. Zahlreiche Gastprofessuren und Namensvorträge führten ihn um die Welt. Nach dem Otto-Hahn-Preis für Chemie und Physik, hat er mit dem Karl-Ziegler-Preis (Gesellschaft Deutscher Chemiker) und dem Leonardo da Vinci-Preis (European Academy of Sciences, EurASc) die jeweils höchsten Auszeichnungen dieser Gesellschaften erhalten.

So erfolgreich und gefragt Helmut Schwarz auch weltweit war, so groß war sein Engagement für die Berliner Forschungslandschaft, orbi et urbi. Seinen Untersuchungen an Modellkatalysatoren in der Gasphase „The active site in isolation“ – so der Titel einer seiner Übersichtsarbeiten – trugen viel zum Verständnis katalytischer Prozesse bei. Anfang der 1990er Jahre wurde er damit zu einem inspirierenden Partner bei der Konstituierung eines Sonderforschungsbereiches, der über zwölf Jahre die Katalyseforschung in Berlin prägte und auch bei der Gründung des Exzellenzclusters UNICAT Pate stand.

Helmut Schwarz, ein Gründungsmitglied der BBAW seit 1993, hat von Anfang an Ämter übernommen, diese mit großem Einsatz ausgefüllt und damit die sich formierende Akademie von Beginn an zentral geprägt. Er war von 1993 bis 1996 zunächst stellvertretender Sekretar der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse und dann von 1996 bis 1998 Sekretar. Von 1994 bis 1998 und von 2006 bis 2009 war er Mitglied des Vorstandes des Fördervereins Collegium pro Academia, 1994/95 Mitglied und 1995 Vorsitzender der Preisträgerfindungskommission und 1999/2000 Mitglied des gemeinsamen Leitungsgremiums von BBAW und Leopoldina. In den Jahren 2001 bis 2004 war er Mitglied des Rates.

Besondere Bedeutung hatte seine Amtszeit als Vizepräsident der Akademie in den Jahren von 1998 bis 2003, in denen er besonders für die internationalen Beziehungen zuständig war (und danach noch von 2003 bis 2005 als Mitglied und Vorsitzender der Kommission Internationale Beziehungen). Helmut Schwarz ist der Initiator zahlreicher internationaler Kooperationen der BBAW – vor allem auch mit Israel und der Israel Academy of Sciences and Humanities, aber auch mit zahlreichen osteuropäischen Akademien und den großen west-, nord- und südeuropäischen Einrichtungen. Mit vielen Institutionen haben sich aus den Verträgen über Zusammenarbeit stabile Partnerschaften entwickelt. Wenn immer gegenwärtig Delegationen, Mitglieder oder Funktionsträger der Akademie Partnereinrichtungen besuchen, kommt das Gespräch ganz schnell auf Helmut Schwarz und die Bedeutung seiner Person für die Aufnahme der Kontakte und Verfestigung in Partnerschaften. Helmut Schwarz hat der frisch konstituierten Akademie mit seiner Autorität als Person und seinem Ansehen als Wissenschaftler ein Entree auf dem internationalen Parkett verschafft und die in gewissem Sinne neue Akademie (unter Berufung auf ihren Charakter als vormals Preußische Akademie) damit in die Gemeinschaft der Akademien eingeführt. Die Estnische Akademie der Wissenschaften (seit 2002) sowie vorher schon die Gelehrtengesellschaft der Tschechischen Republik (1999), die American Academy of Arts and Sciences (2012) und die National Academy of Sciences (2018) haben ihn zu Mitgliedern gewählt (wie auch Leopoldina, acatech, die Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die Academia Europaea und die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste). Dankenswerterweise hat er dem neuen Präsidium der BBAW im Jahre 2021 als kommissarischer Beauftragter für die internationalen Beziehungen noch einmal für die Rekonfiguration und Wiederherstellung des seinerzeit von ihm etablierten Netzwerks zur Verfügung gestanden.

In den sechs Jahren Vizepräsidentschaft der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 2001 bis 2007 und in den zehn Jahren seiner ebenfalls allseits gerühmten Präsidentschaft der Alexander von Humboldt-Stiftung von 2008 bis 2018 (und seither als Ehrenpräsident) hat er ungeachtet seiner zahlreichen Verpflichtungen nicht zuletzt auch durch die ehrenamtliche Verpflichtung als Präsident immer wieder der Akademie zur Verfügung gestanden, wenn sie ihn um einen Beitrag nachgefragt hat (und immer wieder selbst Anregungen für Beiträge der Akademie gegeben). Klassenvorträge, Festvorträge (1998 auf dem Leibniztag „Lebenslanger Karzer für Atome: Fußballmoleküle als Verpackungskünstler“ bzw. bei Akademischen Causerien wie 2003), die beliebten Lesungen mit Schauspielerinnen zum Abschluss des Salons Sophie Charlotte vor Mitternacht oder das Engagement im Zusammenhang der Ausstellungen von Herlinde Koelbl in den Jahren 2020 und 2022 in der Akademie  zeigen, dass er am Leben der Akademie (und auch an ihren Gremiensitzungen) mit sehr großem Engagement teilgenommen hat und teilnimmt. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Akademie ihm und seinem Engagement ein großes Stück der Reputation verdankt, die sie im In- und Ausland genießt. Seine wissenschaftliche Leidenschaft, menschliche Warmherzigkeit und persönliche Begeisterungsfähigkeit sind vielen Mitgliedern ein leuchtendes Vorbild.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ist sich dieser herausragenden Leistung bewusst und würdigt sie mit der Ernennung von Helmut Schwarz zu ihrem Ehrenmitglied.

© Foto: Bernd Schuller

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Hubert Markl

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner herausragenden Lebensleistung.


Mit der Ehrenmitgliedschaft der Akademie kann ausgezeichnet werden, wer sich durch seine Lebensleistung um die Wissenschaft oder deren Anwendung in besonderer Weise verdient gemacht hat. Dies trifft auf Hubert Markl in geradezu exemplarischer Weise zu.

Als Zoologe und Verhaltensforscher von internationalem Rang ist der im Jahre 1938 geborene Regensburger weit über die Grenzen seiner Disziplin hinaus bekannt und anerkannt und wurde in beeindruckender Weise gewürdigt. Als Biologe hat er sich vor allem der Evolutions- und Verhaltensforschung gewidmet, ohne dabei die Breite seines Faches aus den Augen zu verlieren. Er hat über Natur- und Umweltschutz, Wissenschafts- und Forschungsförderung sowie über das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit gearbeitet. Wir kennen und schätzen ihn als Naturwissenschaftler und begnadeten Essayisten, als streitbaren Geist und brillanten Denker. Mit seinem Namen verbindet sich ein leidenschaftliches Interesse für die Grundfragen unserer Zeit – von den Möglichkeiten der modernen Wissenschaft und ihrer ethischen Verantwortung bis hin zur Bedrohung unseres Planeten durch Umweltzerstörung und exponentiellen Populationszuwachs. Mit der gleichen Leidenschaft vermochte er es, einer breiten Öffentlichkeit komplexe Zusammenhänge verständlich zu vermitteln; er hat als Kommunikator der Wissenschaft Brücken geschlagen, hohe Maßstäbe gesetzt und im besten Sinne des Wortes Gesellschaftsberatung betrieben. Er wurde als wohl wichtigster Forschungslobbyist Deutschlands wahrgenommen, als Mentor und Anwalt für die Freiheit der Wissenschaft.

Hubert Markl studierte Biologie, Chemie und Geographie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wurde dort 1962 zum Dr. rer. nat. promoviert, um sich 1967 – ebenfalls für Fach Zoologie – an der Universität Frankfurt am Main zu habilitieren. Nachdem er von 1968 bis 1974 ordentlicher Professor und Direktor des Zoologischen Instituts der Technischen Hochschule Darmstadt war, wurde er 1974 als ordentlicher Professor an die Universität Konstanz berufen, der er bis heute – seit 2003 im Ruhestand – verbunden ist.

Bereits mit 36 Jahren wurde Hubert Markl in den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gewählt und hatte das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht, als diese ihn 1977 zum Vizepräsidenten berief – eine Zeit, die er einmal als mehrjähriges Praktikum der angewandten Verhaltensforschung in der Wissenschaftspolitik bezeichnete und die sowohl für seinen eigenen beruflichen Werdegang als auch für das Wissenschaftssystem der Bundesrepublik folgenreich war.

Wissenschaftspolitik, Wissenschaftsmanagement und akademische Spitzenämter prägen in der Folgezeit seinen beruflichen Alltag: als Präsident der DFG von 1986 bis 1991 – zeitgleich als Vizepräsident der Alexander von Humboldt-Stiftung –, anschließend als Gründungspräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, danach bis 2002 als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Mehr als anderthalb Jahrzehnte hat er die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung an entscheidender Stelle maßgeblich mitgeprägt, Weichen gestellt, neue Akzente gesetzt, unübersehbar Spuren hinterlassen. Den schwierigen Umgestaltungsprozess der Wissenschaft im Zuge der deutschen Wiedervereinigung gestaltete er aktiv mit, scheute nicht die Verantwortung für einschneidende Veränderungen und unpopuläre Entscheidungen, erkannte und nutzte zugleich die sich eröffnenden Chancen. Seine Amtszeit als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft ist verbunden mit dem Aufbau der Institutsstandorte in Dresden, Leipzig, Halle (Saale), Rostock und Potsdam, die heute internationale Spitzenpositionen einnehmen, mit der Gründung der „International Max Planck Research Schools“ sowie mit dem beeindruckenden Anstieg der an Max-Planck-Instituten forschenden Doktoranden von über 2.500 auf rund 4.300 – eine enorme wissenschaftspolitische Leistung, bei der er einmal mehr sein scharfes Urteilsvermögen, seine überzeugende Argumentationskraft, seine wissenschaftspolitische Weitsicht und sein Durchsetzungsvermögen unter Beweis stellte. Als erster Präsident der Max-Planck-Gesellschaft ermöglichte er es, die Verbrechen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft während des Nationalsozialismus vorbehaltlos zu untersuchen, um sich schließlich öffentlich in beeindruckender und zutiefst ehrlicher Weise bei den Opfern zu entschuldigen – eine Haltung, die große Hochachtung verdient.

Hubert Markl hat sich nicht nur Verdienste um die Wissenschaft erworben, sondern auch „um sein Land und seine Menschen“, wie es 2004 in der Begründung für die Verleihung des Ehrenrings der Eduard-Rhein-Stiftung heißt. Seit Mitte der 1980er Jahre erfahren seine Leistungen fast jährlich, oft mehrfach, besondere öffentliche Anerkennung mit hohen Auszeichnungen, darunter der Karl-Winnacker-Preis (1991), der Ernst-Robert-Curtius-Preis (1995), die Harnack-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft (2004) und der Hanns-Martin-Schleyer-Preis (2005). Mehrere Bundesländer verliehen ihm ihre höchsten Orden – darunter der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg (1997), der Bayerische Verdienstorden (2001) und die Bayerische Verfassungsmedaille in Silber (2002). Die Bundesrepublik Deutschland ehrte ihn ihrerseits mehrfach: mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1990), dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens (1992) sowie mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern (1999). Ehrendoktorate von Universitäten in aller Welt – darunter Dublin, New York, Tel Aviv, Jerusalem und das Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) –, Mitgliedschaften in fast allen Akademien der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie in ausländischen Akademien, darunter die American Academy of Arts and Sciences (seit 1985), die Academia Europaea (seit 1988), die Indian Academy of Sciences (seit 1991), die Polnische Akademie der Wissenschaften (seit 2000) und die Royal Society (seit 2002) sowie natürlich die Ehrenmitgliedschaft der Max-Planck-Gesellschaft zählen zu der schier endlos anmutenden Liste von Auszeichnungen, mit denen das Lebenswerk Hubert Markls gewürdigt wurde.

Die Akademie möchte diesen Auszeichnungen nun mit ihrer Ehrenmitgliedschaft eine weitere hinzufügen. Neben all dem bislang Gesagten möchte sie auf diese Weise vor allem auch die besonderen Verdienste Hubert Markls um die Akademie selbst in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Als Gründungspräsident war er maßgeblich daran beteiligt, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften mit über die Geisteswissenschaften hinaus interdisziplinärer Ausrichtung und mit überregionaler und internationaler Mitgliederschaft als eine moderne Arbeitsakademie mit innovativen Arbeitsformen auf den Weg zu bringen und mit dem ihm eigenen Geschick und wissenschaftspolitischer Weitsicht in dem bislang streng regional organisierten Akademiensystem in Deutschland zu etablieren, um ihr darüber hinaus im gesamten Wissenschaftssystem und in der Politik Platz und Stimme zu verleihen. Seine Aufbauarbeit war im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig – und sie war im besten Sinne des Wortes ein Stück lebendige deutsche Wiedervereinigung, ist doch die Akademie selbst ein Kind der Wiedervereinigung.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ist sich dieser herausragenden Leistung bewusst und würdigt sie mit der Ernennung von Hubert Markl zu ihrem Ehrenmitglied.

© Foto: Amélie Losier

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. phil. Dr. h. c. Eberhard Lämmert

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen.


Eberhard Lämmert gehört zu den großen Gelehrten der älteren Generation in der Allgemeinen und germanistischen Literaturwissenschaft, der sich große Verdienste um die Neubegründung der Germanistik nach dem Zweiten Weltkrieg erworben hat. Er wurde 1924 in Bonn geboren und studierte Geologie und Mineralogie in Bonn sowie Germanistik, Geschichte und Geografie in München und Bonn, wo er auch promoviert und habilitiert wurde. Zunächst lehrte er von 1961 bis 1970 als Professor für Deutsche Philologie und Allgemeine Literaturwissenschaft in Berlin, wechselte dann nach Heidelberg, um schließlich von 1977 bis zu seiner Emeritierung 1992 erneut an der Freien Universität Berlin Allgemeine Literaturwissenschaft zu lehren. Gastprofessuren führten ihn nach Aarhus (Dänemark), Princeton (USA), Cambridge (Großbritannien), St. Louis (USA) und São Paulo (Brasilien). Von 1976 bis 1983 war Eberhard Lämmert zugleich Präsident der Freien Universität Berlin, steuerte sie in sehr schwieriger Zeit und richtete in dieser Funktion auch das Institut der „Universitätsvorlesung“ für eine breitere Öffentlichkeit ein. Des Weiteren war er von 1996 bis 1999 Gründungsdirektor des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin und von 1998 bis 2004 Direktor am Forschungszentrum für Europäische Aufklärung Potsdam.

In der seit dem 19. Jahrhundert bestehenden wissenschaftlichen Tradition ist Eberhard Lämmert Philologe: in der Germanistik bedeutet dies, dass das Fach sowohl die ältere als auch die neuere Literatur umfasst. E. Lämmert wurde in der neueren Literatur promoviert und hat sich in der älteren (mit einer editionsphilologischen Arbeit zum Spätmittelalter) habilitiert. Seine bahnbrechende Dissertation ist eines der bedeutendsten Werke der deutschen Nachkriegsgermanistik: Die „Bauformen des Erzählens“ markieren eine wissenschaftsgeschichtliche Zäsur, weil sie die an der traditionalen Hermeneutik Diltheys orientierte Interpretation durch eine Strukturanalyse ablösen und eine moderne Narratologie begründen. Durch den verstärkten Austausch zwischen Sprach- und Literaturwissenschaft konnte sich dann auch ein neuer Literaturbegriff entwickeln, der für die Folgezeit in allen Philologien wichtig wurde.

Der zweite für die Entwicklung der neueren Philologien zentrale Forschungsbereich Eberhard Lämmerts ist die moderne Fachgeschichtsschreibung. Wiederholt und zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass erst mit dem bedeutsamen Münchner Germanistentag von 1966 eine selbstkritische Analyse der Geschichte der Literaturwissenschaft einsetzte, die in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung bis heute weiterwirkt. Vor allem zusammen mit Karl Otto Conrady hat Eberhard Lämmert diesen historischen Moment noch vor der 68er-Bewegung genutzt, um auf die Notwendigkeit einer Wissenschaftsgeschichte der Geisteswissenschaften aufmerksam zu machen.

Über die Jahrzehnte hinweg hat Eberhard Lämmert als Wissenschaftler, Wissenschaftsorganisator, öffentlicher Intellektueller und engagierter Bürger das kulturelle Leben Berlins gefördert, im Wissenschaftsbereich der Region eine wirkungsvolle Rolle gespielt und die öffentliche Diskussion im Überschneidungsfeld von Wissenschaften, Kultur und Politik nachhaltig bereichert. Über die Jahrzehnte hinweg ist er ein herausragender Vertreter der deutschen Geisteswissenschaften auf nationaler und internationaler Ebene geblieben. Gleichzeitig blieb er der produktive Wissenschaftler – 2009 erschien der Sammelband „Respekt vor den Poeten. Studien zum Status des freien Schriftstellers“, der literaturwissenschaftliches und historisches Denken verbindet und seinem Fach unverwechselbare Anstöße gegeben hat. Er gehört zu den Mitbegründern eines neuen Faches, der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, an der Freien Universität Berlin.

Ob als langjähriger Präsident der Deutschen Schillergesellschaft, ob als Präsident der Freien Universität Berlin, als Kuratoriumsvorsitzender des Einstein Forums Potsdam, als Mitglied des Kuratoriums und des Vorstandes des Deutschen Akademischen Austauschdienstes oder als Gründungsdirektor des Zentrums für Literaturforschung Berlin – wohl kaum ein anderer seiner Generation hat sich in dieser Weise um die Zukunft der geisteswissenschaftlichen Forschung verdient gemacht wie Eberhard Lämmert. Indem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Eberhard Lämmert ihre Ehrenmitgliedschaft verleiht, würdigt sie seine außerordentliche wissenschaftliche Lebensleistung.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Gerhard Ertl

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen.


Gerhard Ertl wurde 1936 in Stuttgart geboren. Er studierte Physik in Stuttgart, Paris und München, wo er 1965 auch zum Dr. rer. nat. promoviert wurde. Zwei Jahre später habilitierte er sich und wurde 1968 zum Professor und Direktor am Institut für Physikalische Chemie der Technischen Hochschule Hannover (heute Gottfried Wilhelm Leibniz­ Universität Hannover) ernannt. 1973 ging er für die folgenden 13 Jahre nach München zurück und wurde ordentlicher Professor und Direktor am Institut für Physikalische Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität. 1986 wechselte er nach Berlin, wo er zum Direktor der Abteilung für Physikalische Chemie am traditionsreichen Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft berufen wurde. 2004 wurde er emeritiert.

Gerhard Ertl ist einer der bedeutendsten Chemiker unserer Zeit. Zu seinen Hauptarbeitsgebieten gehören die Chemie und Physik von Oberflächen und das umfassende Phänomen der heterogenen Katalyse, deren physikalische Begründung er revolutionierte. Obwohl ein Großteil der Prozesse in der chemischen Industrie auf der Anwendung der heterogenen Katalyse beruhen, hielt die physikalische Durchdringung des Phänomens und das Verständnis seiner atomaren Grundlagen nicht mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt. Die Aufklärung der Elementarschritte dieser Reaktion und der atomaren Struktur war deshalb ein zentrales Ziel der Katalyseforschung.

Ein Problem dieser Größenordnung, das einen Paradigmenwechsel zu seiner Lösung erforderte, reizte Gerhard Ertl. Mit klassischen Arbeiten, die eindeutige Oberflächenstrukturen mit exakten Informationen über deren Wechselwirkung mit Wasserstoff verbinden, lieferte er Eichmarken für die theoretische Beschreibung katalytischer Prozesse. Durch Entwicklung, Nutzbarmachung und Nutzung von Methoden der Oberflächenphysik konnte er die Ammoniak-Synthese und gleichzeitig die komplexe Struktur des Eisenkatalysators aufklären und korrekt beschreiben. Seine Arbeiten zur Katalyseforschung haben wesentlich dazu beigetragen, dass viele weitgehend unverstandene Prozesse der technischen Katalyse im Ansatz aufgeklärt werden konnten. Die Erkenntnisse, die aus seiner Arbeit gewonnen werden konnten, sind für viele wirtschaftlich genutzte Prozesse von großer Bedeutung: So wurden erst durch seine Forschung die Vorgänge in den Katalysatoren von Autos vollständig nachvollziehbar.

Durch die außergewöhnliche Qualität seiner Arbeiten hat sich Gerhard Ertl großes Ansehen und unumstrittene internationale Autorität erworben. Gastprofessuren führten ihn bereits früh in die USA. Er ist Honorarprofessor aller drei Berliner Universitäten und Ehrenmitglied der Technischen Universität Berlin. In Anerkennung seiner vielfältigen und bedeutenden Verdienste um die Wissenschaft wurde er mit vielen deutschen und internationalen Preisen, wie dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem israelischen Wolf-Foundation Prize in Chemistry, dem Japan-Prize sowie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern geehrt. Darüber hinaus ist er Mitglied zahlreicher deutscher und ausländischer Akademien der Wissenschaften und wurde mit einer Vielzahl von Ehrendoktoraten ausgezeichnet. 2007 schließlich erhielt Gerhard Ertl den ungeteilten Nobelpreis für Chemie „für seine Untersuchungen chemischer Prozesse auf festen Oberflächen“.

Als langjähriger Direktor des Fritz-Haber-Instituts machte er Berlin zu einem anerkannten Standort der Katalyseforschung. Herr Ertl und seine Kollegen haben die Berliner Universitäten stets als Partner auf diesem Weg gesehen und insbesondere das Exzellenzcluster auf dem Gebiet der Katalyse sowie mehrere Sonderforschungsbereiche initiiert. Darüber hinaus war Gerhard Ertl nicht nur ein gefragter Ratgeber bei der Neustrukturierung der naturwissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin nach 1989, sondern er hat sich auch als Gründungsmitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bleibende Verdienste erworben.

Indem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Gerhard Ertl ihre Ehrenmitgliedschaft verleiht, würdigt sie zum einen seine außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen bei der Erforschung der Grundlagen der Katalyse. Zum anderen stellt die Auszeichnung auch eine Wertschätzung seiner Verdienste um die Förderung der Naturwissenschaften in der Hauptstadtregion sowie seines herausragenden Engagements beim Aufbau der Akademie als Gründungsmitglied und erster Sekretar der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse dar.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr. med. Dr. h.c. mult. Harald zur Hausen

ihre Ehrenmitgliedschaft in Anerkennung seiner außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen.


Harald zur Hausen ist ein Pionier der medizinischen Virologie. Er wurde 1936 in Gelsenkirchen-Buer geboren und studierte Medizin und Biologie in Bonn, Hamburg und Düsseldorf, wo er 1960 zum Dr. med. promoviert wurde. Nach Stationen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Düsseldorf sowie als Assistant Professor an der University of Philadelphia habilitierte er sich 1969 für das Fach Virologie an der Universität Würzburg. Von 1972 bis 1977 hatte er den Lehrstuhl und die Leitung des Instituts für Klinische Virologie an der Universität Erlangen-Nürnberg inne, 1977 übernahm er den Lehrstuhl für Virologie und Hygiene an der Universität Freiburg im Breisgau. Von 1983 bis zu seiner Emeritierung 2003 war er Vorsitzender und Wissenschaftliches Mitglied des Stiftungsvorstandes des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Darüber hinaus ist er seit 1988 Honorar-Professor an der Universität Heidelberg. Anfang 2010 hat Harald zur Hausen das Amt des Präsidenten der Deutschen Krebshilfe e.V. übernommen.

Das vorrangige Forschungsinteresse Harald zur Hausens gilt seit langem dem Einfluss von Viren bei der Tumorentstehung. Bereits vor mehr als dreißig Jahren vermutete er gegen die herrschende Lehrmeinung einen Zusammenhang zwischen Infektionen mit humanen Papilloma-Viren (HPV) und Gebärmutterhalskrebs. Anfang der 1980er Jahren konnte er mit seiner Arbeitsgruppe erstmals die Virentypen HPV 16 und HPV 18 aus einer Gebärmutterhalskrebsprobe isolieren – eine medizinische Sensation. Seine Entdeckung führte zur Charakterisierung der natürlichen Geschichte der HPV-Infektion, zu einem Verstehen der Mechanismen der HPV-ausgelösten Krebsentstehung und zur Entwicklung vorbeugender Impfstoffe gegen eine Ansteckung mit humanen Papilloma-Viren. Der auf Grundlage seiner Forschungsergebnisse entwickelte Impfstoff eröffnet völlig neue Perspektiven der Prävention und ist zugleich auch ein eindrucksvolles Beispiel für erfolgreichen Technologietransfer aus der Grundlagenforschung.

Neben seinen herausragenden wissenschaftlichen Leistungen, mit denen Harald zur Hausen in geradezu revolutionärer Weise ein überkommenes medizinisches Dogma brach, ist er auch stets ein begeisternder akademischer Lehrer gewesen. Darüber hinaus entwickelte sich das Deutsche Krebsforschungszentrum unter seiner Ägide und Führung innerhalb weniger Jahre zu einer Institution mit internationaler Geltung und Ausstrahlung: Er erweiterte die Zusammenarbeit des Deutschen Krebsforschungszentrums mit Universitätskliniken, und die klinischen Kooperationseinheiten sichern so die Verzahnung von Grundlagenforschung und klinischer Medizin, so dass Forschungsergebnisse so schnell wie möglich in die Praxis übertragen werden können.

Zahlreiche Ehrendoktorate und Mitgliedschaften in- und ausländischer Akademien der Wissenschaften – u.a. war er auch Vizepräsident der Leopoldina – zeugen von der hohen Wertschätzung, die diesem Forscher seit Jahrzehnten entgehen gebracht wird. Seine wissenschaftlichen Leistungen sind mit hohen Ehrungen wie u.a. dem Robert-Koch-Preis (1975), dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstädter-Preis (1994), dem Großen Bundesverdienstkreuz (2004), dem thailändischen Prince Mahidol Award (2006) und dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern (2009) gewürdigt worden.

Im Jahr 2008 schließlich wurde Harald zur Hausen für seine Entdeckung, das humane Papilloma-Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen, die höchste wissenschaftliche Auszeichnung zuteil, der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Mit der Verleihung ihrer Ehrenmitgliedschaft würdigt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Harald zur Hausens außerordentliche wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Krebsforschung, die einen entscheidenden Durchbruch bei der Aufklärung und Bekämpfung dieser heimtückischen Krankheit darstellen und wirksame Wege zur Vorsorge eröffnet haben.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verleiht

Professor Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Werner Albring

ihre Ehrenmitgliedschaft in Würdigung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes.


Professor Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Werner Albring, geboren 1914 im westfälischen Schwelm, ist einer der maßgeblichen Strömungsdynamiker unserer Zeit – mit reichem Schrifttum und zahlreichen praktischen Weiterungen gilt er als einer der Väter der heutigen Strömungsmechanik. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften nimmt seinen bevorstehenden 90. Geburtstag zum Anlass Werner Albring in besonderer Weise zu ehren.

Das Curriculum vitae von Werner Albring ist in hohem Maße durch die Brüche und politischen Wechsel des vergangenen Jahrhunderts geprägt: Von 1934 bis 1939 studierte er Maschinenbau an der Technischen Hochschule (heute: Universität) Hannover, wo er 1941 mit einer Arbeit über „Kraftmessungen am schwingenden Tragflügel“ zum Dr.-Ing. promoviert wurde. Nach zweijähriger Assistenz arbeitete er von 1941 bis 1945 als Stellvertretender Leiter am Institut für Aeromechanik und Flugtechnik an der Technischen Hochschule in Hannover. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm W. Albring eine Tätigkeit bei den Zentralwerken im thüringischen Bleicherode auf und wurde 1946 zum Abteilungsleiter für Aerodynamik berufen. Noch im gleichen Jahr wurden er und seine Familie gemeinsam mit anderen ausgewählten Spezialisten in die damalige Sowjetunion zwangsverpflichtet. Für die Dauer von sechs Jahren arbeitete W. Albring als Aerodynamiker auf der im Seligersee gelegenen Insel Gorodomlia (Institut Nr. 88, Ostaschkow). In strenger Abgeschiedenheit war er in dieser Zeit maßgeblich an der Entwicklung und Konstruktion von Trägerraketen beteiligt. Über dieses wenig bekannte Kapitel deutscher Wissenschaftsgeschichte, das erst vergleichsweise spät in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses rückte, berichtete Albring selbst in eindrucksvoller Weise in der 1991 erschienenen Publikation „Gorodomlia. Deutsche Raketenforscher in Rußland“. 1952 kehrte Werner Albring aus der Sowjetunion zurück und wurde zum ordentlichen Professor an der Technischen Hochschule (später: Technische Universität) Dresden und zum Direktor des neugegründeten Instituts für Angewandte Strömungslehre berufen. Ab 1955 war er zugleich für die Dauer von fünf Jahren nebenamtlicher Bereichsleiter für Forschung in der Forschungs- und Versuchsanstalt für Strömungsmaschinen in Dresden. Für mehr als ein Vierteljahrhundert prägte Werner Albring mit seinen herausragenden wissenschaftlichen Leistungen den Stil des Instituts für Angewandte Strömungslehre der Technischen Universität Dresden und begründete dessen hohes Ansehen sowohl im In- als auch im Ausland. Auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1979 blieb er seiner Dresdner Wirkungsstätte auf das engste verbunden.

Zu Albrings Hauptarbeitsgebieten gehören Strömungsprobleme der Turbomaschinen und die Turbulenzforschung sowie insbesondere die strömungstechnische Auslegung und Optimierung von Turbomaschinen und Schaufelgittern, die vielgestaltige Anwendung der Ähnlichkeitsmechanik bei Strömungsvorgängen und das Turbulenzproblem, also die Beschreibung der Bewegung von Einzelwirbeln, von ganzen Wirbelfeldern und Wirbelsystemen. Zu diesen und weiteren Themen hat er eine Vielzahl wissenschaftlicher Vorträge gehalten sowie zahlreiche Publikationen vorgelegt – exemplarisch genannt seien in diesem Zusammenhang Albrings „Angewandte Strömungslehre“ (erstmals 1961), die zu einem Standardwerk der Strömungsmechanik avancierte und in mehreren Auflagen vorliegt, sowie sein Beitrag über „Elementarvorgänge fluider Wirbelbewegungen“ (1981).

Werner Albring war und ist zunächst ein Spezialist der Strömungsmechanik von exzellenter Fachkompetenz. Dabei hat er jedoch immer versucht, die Forschungsergebnisse seines eigentlichen Fachgebiets in größere Kontexte einzuordnen. Auch wenn er in seinen Forschungen bestimmte spezielle Strömungsprobleme behandelte, so leitete Albring daraus meist neue, physikalisch begründete Systematiken ab. Sein interdisziplinäres Denken und Wirken ging dabei weit über den Bereich der Technikwissenschaften hinaus: So beschäftigten ihn Fragen der Folgen des technischen Fortschritts auf das menschliche Zusammenleben ebenso wie Probleme der gesellschaftlichen Umwelt des Technikwissenschaftlers, strömungsmechanische Arbeiten auf dem Gebiet der Biologie und der Lebewesen sowie wissenschaftshistorische Aspekte und Problemstellungen. Ein bei Albring immer wiederkehrendes Thema ist seine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, insbesondere mit dem Problem der Entwicklung und des Baus von Waffen – davon zeugen u.a. Arbeiten wie z.B. „Entwicklungsimpulse von Physik und Technik: Anwendungen zum zivilen Gebrauch und zu Waffen“ (1985) sowie „Gedanken eines Technikers über die Ethik“ (1987).

Während seines Wirkens als Hochschullehrer und Wissenschaftler an der Technischen Universität Dresden, hat er den Lebensweg seiner Schüler entscheidend beeinflusst. Seine wissenschaftliche Exzellenz, seine auf Forschung und die Grundlagendisziplinen bezogene universitäre Ausbildung, seine anschauliche, verständliche und anwendungsfreundliche Darstellungsweise als Hochschullehrer sowie eine immer wieder bewiesene Balance zwischen theoretischen und experimentellen Untersuchungen ermöglichten es einer Persönlichkeit vom Format Werner Albrings, das Technikstudium ganzer Studentengenerationen von der Mitte der 50er bis in die 80er Jahre hinein in maßgeblicher Weise zu prägen. Zahlreiche Lehrstühle für Strömungstechnik und verwandte Gebiete an den Hochschulen und Universitäten der ehemaligen DDR wurden von Albrings Schülern eingenommen.

Von der hohen Wertschätzung seiner wissenschaftlichen Leistungen und Verdienste zeugen eine Reihe von Auszeichnungen und Ehrungen: So gehörte er der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (später Akademie der Wissenschaften der DDR genannt) seit 1959 als korrespondierendes Mitglied, seit 1961 als ordentliches Mitglied an und wirkte auch hier in aktiver Weise weit über sein unmittelbares Fachgebiet hinaus. 1972 wurde Albring mit dem Nationalpreis der DDR für Wissenschaft und Technik ausgezeichnet, 1984 erfolgte die Berufung in die Evangelische Forschungsakademie Berlin. Die Technische Universität Leningrad (St. Petersburg) und die Technische Universität Budapest verliehen ihm 1985 bzw. 1991 die Ehrendoktorwürde; 1995 erhielt er mit dem Ludwig-Prandtl-Ring die höchste Auszeichnung, welche die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt „für Verdienste durch hervorragende eigene Arbeiten um die Flugwissenschaften in all ihren Disziplinen“ zu vergeben hat. Humanistischen Idealen verpflichtet, hat Werner Albring seine Integrität als Wissenschaftler und seine politische Unabhängigkeit im System der DDR bewahrt. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften wählte ihn bereits 1994, unmittelbar nach ihrer Neukonstituierung, zum Außerordentlichen Mitglied. Seit 2002 ist W. Albring Mitglied von „acatech – Konvent für Technikwissenschaften der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften e.V.“.

Indem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ihrem Außerordentlichen Mitglied Werner Albring nunmehr die Ehrenmitgliedschaft der Akademie verleiht, würdigt sie mit dieser Auszeichnung das wissenschaftliche Lebenswerk dieses international anerkannten Strömungsmechanikers und Hochschullehrers.

Kontakt
Dr. Karin Elisabeth Becker
Leiterin des Präsidialbüros
Präsidialbüro
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