Ein von Geisteswissenschaften befragtes Objekt – sei es Bild- oder Schriftträger – verrät bei entsprechender Fragestellung für gewöhnlich auch etwas über die Umstände, denen es seine Entstehung zu verdanken hat. Die Herstellung oder der Schreibvorgang lassen sich durch genaue Analyse des Objekts – durch intensives Hinschauen, aber auch durch naturwissenschaftliche Methoden – nachvollziehen. Weniger oft werden Fragen gestellt, die auf den Gebrauch des Objekts abzielen, die aber besonders aufschlussreich sein können, wenn die Spuren am Objekt Auskunft über Einsatz und Verwendung geben. Wenn es, wie bei vielen mittelalterlichen Objekten, an sonstigen Nachrichten mangelt, gewinnt die materiale Seite einen besonderen Rang.
Der zweite Workshop des Mittelalterzentrums der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften widmet sich der “Material evidence“: Ausgehend von der Autopsie mittelalterlicher Werke werden Fragen nach Entstehungs- umständen und Gebrauchsspuren gestellt und die Methoden ihrer Erforschung diskutiert. Der in Kooperation von Kunst- und Buchwissenschaftlern organisierte Workshop lädt zum produktiven Gespräch über Fragestellungen von fächerübergreifender Relevanz ein.
Im Mittelalterzentrum arbeiten die Vorhaben der Akademie, die sich auf das mittelalterliche Jahrtausend (ca. 500–1500 n. Chr.) beziehen, zusammen. Das Hauptziel des Zentrums ist die Förderung der mediävistischen Grundlagen- forschung und der Kooperation all derer, die für die Bewahrung und Verbreitung des kulturellen Erbes aus tausend Jahren Mittelalter in Schrift und Bild wirken. Ein regelmäßiger Gedankenaustausch der in Berlin und Brandenburg tätigen Mediävistinnen und Mediävisten wird angeregt, grundwissenschaftliche
Kenntnisse werden verbreitet und damit die Visibilität der Mediävistik erhöht. Das Zentrum bietet ein Forum für aktuelle Diskussionen der sich stets erneuernden Mittelalterforschung. An seiner Arbeit können sich weitere mediävistische Projekte aus Berlin und Brandenburg beteiligen, vor allem, sofern sie Grundlagenforschung betreiben.