Heute hat sich das dramatisch verändert und in vielen gesellschaftlichen Bereichen hat die nationale Grenze als Barriere für gesellschaftliche Transaktionen ihre Bedeutung verloren. Dadurch entstehen systematisch grenzüberschreitende, oft globale Problemlagen, die nur durch internationale Institutionen angegangen werden können. Demokratische Nationalstaaten lagern zu diesem Zweck Entscheidungen aus, ohne garantieren zu können, dass die ausgelagerten Entscheidungen demokratisch erfolgen. In Summe kommt es zu einer relativen Entmachtung der nationalen Parlamente. Damit verlieren Mehrheiten und die Stimme an der Wahlurne an Bedeutung.
Diese Entwicklungen führen zu einer Zunahme der Kontestationen innerhalb der liberalen Demokratie. Die FPÖ in Österreich, der Front National in Frankreich sowie in fast allen liberalen Demokratien sind Parteien entstanden, die sich gegen die scheinbar korrupten, gegen das Volk regierenden, liberal-kosmopolitischen Eliten wenden. Insbesondere die Präsidentschaft von Trump hat dabei gezeigt, wie die beiden beschriebenen Entwicklungen und Veränderungen in den Demokratien zu einem autoritär-populistischen Narrativ zusammengebunden werden können. Im Ergebnis sieht sich die Demokratie einer Zangenkontestation gegenüber.
Michael Zürn (Akademiemitglied, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Freie Universität Berlin)
DIE VERANSTALTUNGSREIHE
Ist die Demokratie in einer Krise?
Die Demokratie ist in einer Krise, heißt es. Zweifelsohne, die Demokratie ist in einer Krise. Doch was ist es eigentlich, was konkret in der Krise ist? Was ist überhaupt Demokratie und was nicht? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die IAG „Normative Konstituenzien der Demokratie“ und gibt mit der Akademievorlesung der Öffentlichkeit einen Einblick in die Debatten darüber, was eigentlich die normativen Grundlagen der Demokratie sind und wie die Krise(n) bewältigt werden könnten.