Die Disziplingeschichte der deutschsprachigen Ägyptologie hat in den vergangenen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren und ist in den Kontext eines weiter angelegten wissensgeschichtlichen Forschungsdiskurses getreten. Dabei wurde ein Schwerpunkt auf die Wechselwirkungen von Wissenschaft und Politik, insbesondere in der Zeit des „Dritten Reiches“, gelegt.
Das derzeitige Akademienprojekt „Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache“ nimmt den 130. Geburtstag des Ägypto logen Her mann Grapow (1885 – 1967) und die aktuell über ihn erscheinende Kurzbiografie zum Anlass, ein eintägiges Forschungskolloquium auszurichten. Hermann Grapow war seit 1907 als Mitarbeiter am „Wörterbuch der ägyptischen Sprache“ an der Berliner Akademie tätig. Zusammen mit Adolf Erman, der Zentralfigur der „Berliner Schule“ der Ägyptologie, war er Mitherausgeber des ab 1926 erschienenen mehrbändigen Wörterbuches. Seit den späten dreißiger Jahren hatte er Leitungsämter an der Berliner Universität und an der Akademie inne.
Der Eintritt zum Kolloquium ist frei. Es wird gebeten die Teilnahme an der Tagung bis zum 27. März 2015 anzumelden unter grapow@bbaw.de. Eine Anmeldung für den öffentlichen Abendvortrag ist nicht erforderlich.
ÖFFENTLICHER ABENDVORTRAG MIT BUCHPRÄSENTATION
„Dixi et salvavi animam meam“
Deutsche Ägyptologie im „Dritten Reich“ und der Fall Hermann Grapow
Einstein-Saal, 19 Uhr
Der Name Hermann Grapows ist Ägyptologen als Mitherausgeber des „Wörterbuchs der ägyptischen Sprache“ geläufig. Ebenso unmittelbar verbindet man heute mit seinem Namen aber auch die politische Belastung der Ägyptologie in der Zeit des „Dritten Reiches“. Die „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten und ihre Eingriffe in die Wissenschaftspolitik ermöglichten dem zunächst zögernden Grapow neue Chancen zu beruflichem Erfolg und führten ihn in höchste Leitungsämter der Berliner Universität und der Akademie. Diese Konstellation und das Zeugnis von Zeitgenossen, die ihn als „Erz-Nazi“ bezeichneten, haben den Fokus der jüngeren historischen Forschung auf Grapow gelenkt. Jedoch wird die in der wissenschaftsgeschichtlichen Praxis bislang meistens zugrunde gelegte Dichotomie zwischen „gut“ und „böse“ dem Quellenbefund nicht gerecht.
Der Ägyptologe und Wissenschaftshistoriker Thomas L. Gertzen ist in Projekten u.a. in Potsdam, Leipzig und Vancouver an der Erforschung der Fachgeschichte der deutschsprachigen Ägyptologie beteiligt.